Audio Japan in allen Facetten - Frauen öffnen Blicke
"I’m so happy, you are here" heißt es im FFF, dem Fotografie-Forum Frankfurt in der Braubachstraße. Gezeigt werden ausschließlich Werke von Japanerinnen. Während ihre männlichen Kollegen weltweit in Sammlungen und Ausstellungen zu sehen sind, sind Fotografinnen außerhalb Japans bisher so gut wie gar nicht gezeigt worden. Arbeiten von 26 Frauen werden vorgestellt, die früheste von 1862, Shima Ryū portraitiert den Ehemann mit einer Daguerreotypie; die Girlie-Fotografin Toshikawa Hiromi dokumentiert den 1990er Jahren ihr eigenes Leben mit Selfies. Und Kumatso Hiroko baut aus ihren Fotografien große Installationen, aus Nahaufnahmen von Industriestandorten. Das alles hat man so noch nie gesehen, das Fotografie-Forum öffnet mit dieser Ausstellung wirklich Welten, die faszinierend und vielfältig sind.
Der erste Eindruck ist grün und rot und gelb. Ganz stark farbig sind die Stillleben und Arrangements von Yamazawa Eiko. Sie fotografiert Collagen aus Papier, die Kreise und Quadrate zeigen und eine gelbe Flasche vor grünem Grund. Das hat entfernt etwas von Piet Mondrian und Giorgio Morandi, sehr abstrakt, sehr modern und farbintensiv. Ich glaube, Celina Lundsford, die Kuratorin hat diese Bilder deshalb in den Eingang gehängt, weil sie großformatig sind, eine starke Fernwirkung haben und den Blick sofort auf sich ziehen.
Hört sich experimentell an. Was zeichnet die Arbeit dieser Frauen aus?
Also es werden Arbeiten von 26 Frauen vorgestellt, die früheste ist von 1862, als Shima Ryū ihren Ehemann portraitierte, noch mit einer Daguerreotypie, also auf einer versilberten Kupferplatte, die belichtet wurde. Die jüngsten reichen bis in die unmittelbare Gegenwart. Da ist sofort klar, die Künstlerinnen haben zu verschiedensten Zeiten und in verschiedensten Umständen gearbeitet. Trotzdem kann man vielleicht sagen, dass viele ihre persönliche Geschichte nutzen, um zu künstlerischen Fragen zu kommen.
Manche dokumentieren ihren Alltag, ihr Leben als Mutter, die Gegenstände in der eigenen Wohnung. Toshikawa Hiromi, die als Girlie-Fotografin gilt, hat bereits in den 90er Jahren ihr eigenes Leben in Form von Selfies dokumentiert, als es noch gar keine Selfies gab. Und Sawada Tomoko hat in einem Fotoautomaten 400 Bilder von sich selbst mit unterschiedlichen Identitäten gemacht, Jedes zeigt das gleiche Gesicht, aber mit anderer Frisur, anderer Kleidung und Make-Up. Eine sehr streng angelegte Serie in schwarz-weiß, die Bilder in Passbildgröße sind alle in einem großen Raster neben und übereinander in einem Rahmen angeordnet.
Erkunden die Künstlerinnen die Rolle der Frau in Japan oder stellen sie diese in Frage?
Das ist sicher ein wichtiger Aspekt. Yurie Nagashima z.B.- hat sich selbst fotografiert – nackt, hochschwanger, auf einem Sofa sitzend mit gespreizten Beinen, geschminkten Lippen, einer (nicht angezündeten) Zigarette im Mund, während sie dem Betrachter den Mittelfinger zeigt. Das bricht radikal mit dem traditionellen Frauenbild in Japan, in dem Mädchen und Frauen schön und still sein sollten, höflich und dienstbar. Aber – ich habe auch gemerkt, während ich in der Ausstellung war, wie wenig ich eigentlich über die japanische Kultur weiß. Wusste man beispielsweise, dass es in dem Land jahrzehntelange eine Präsenz von US-Soldaten gab und dadurch ein Kulturtransfer stattfand, inklusive Schlaghose und Afro-Style, oder dass Japan in den 60er Jahren genau wie die westlichen Gesellschaften von Studentenprotesten erschüttert wurde?
Was mir auch nicht klar war, ist dass Fotografie in Japan bislang nur sehr selten ausgestellt wird. Es gibt kaum Kunstmuseen, die Fotografie zeigen und auch kaum Galerien. Das wichtigste Medium für Fotografie ist das Fotobuch, das in hohen Auflagen im Land verkauft wurde. Und heute sicher auch das Internet. Das hat mich gewundert, weil Japan ja das Land der Fotokameras war, marktführend, und es bemerkenswerte Fotografen gab/gibt, die auch die Fotografie im Westen stark beeinflusst haben.
Aber spielt in der Fotografie nicht auch das Material eine große Rolle? Das Papier, das Format, das technische Verfahren? Das lässt sich ja in Fotobüchern gar nicht vermitteln?
Genau. Deshalb ist diese Ausstellung auch so bemerkenswert. Kumatso Hiroko z.B. baut aus ihren Fotografien große Installationen. Sie zeigt Nahaufnahmen von Industriestandorten, Bleche, Drähte, Maschinen, Räder, Raster, Rohre, Gestapeltes, dicht gedrängtes, etc. Diese großen Bilder sind auf Papierrollen gedruckt, mit denen sie die Wände des Ausstellungsraumes überzieht. Das vermittelt einen sehr stark körperlichen Eindruck. Während Ninagawa Mika eine ganze Wand eingefärbt hat und darauf knallbunte Bilder von Goldfischen, Blumen und jungen Mädchen befestigt.
Fazit
Das Fotografieforum öffnet mit dieser Ausstellung wirklich Welten, die hoch faszinierend und vielfältig sind.
Unser Bild zeigt eine Arbeit von Nagashima Yurie: Full Figured (2001)
Korrektur:
In einer früheren Version dieses Artikels haben wir irrtümlich von Sugiura Kunié berichtet, die eine Wand eingefärbt habe. Dies war ein Versehen. Es ist Ninagawa Mika.
Sendung: hr2-kultur, 3.6.2025, 7:30 Uhr