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Heiligabend in Poppentin 1945

Türchen ist auf!


Ich war noch ein Kind von etwa fünf Jahren,
da habe ich einmal das Christkind gesehn.
Es schwebte vom Himmel an jenem klaren
Heiligen Abend  – es war wunderbar schön
und leuchtete silbern bis sacht es verschwand
im verschneiten Gebüsch, das das Haus umstand.

Ich war erschrocken vor Freude und Bangen
und dachte, gleich kommt es zum Fenster herein.
Und wenn wir das erste Lied angefangen,
dann würde endlich Weihnachten sein!
So hoffte ich kindlich und glaubte daran,
wie man nur als Kind sich fort träumen kann.

Doch das Christkind kam nicht in unser Zimmer.
Das Ofenfeuer –  es gab keine Kerzen –
erhellte es schwach nur mit seinem Schimmer.
Und Mutter verteilte Lebkuchenherzen –
kleine braune, für jeden immerhin zwei,
die waren geschenkt von der Bäckerei.

Und Mutter seufzte: das Christkind ist arm,
ich bin schon froh, daß der Ofen warm
und heute nicht qualmt von den grünen Scheiten.  
Es war’n Mutters traurigste Weihnachtszeiten.
Doch mir war – das glaub ich! – ein Wunder geschehn,
ich hab in Poppentin das Christkind gesehn!

Marty Kaffanke-Fuchs