Plakat zum ersten Fluxus-Festival 1962

hr2-kultur feiert den 60. Geburtstag von Fluxus - um 14 Uhr mit Archivschätzen, ab 15 Uhr in der Sendung "Musikland Hessen", mit historischem Live-Jazz ab 19 Uhr, ab 20 Uhr mit der Rundfunkoper "Waldfegen" und dann mit dem Radiospiel "Musik mit Ei". Was Sie schon immer über Fluxus wissen wollten, hier erfahren Sie es (ganz bestimmt nicht)!

Was war das eigentlich?

Fluxus 1962: Mehrere Männer nehmen ein Klavier auseinander

Fluxus – das war in den 1960er Jahren der "Kampf gegen die Bürgermusik", ein Aufbegehren gegen Beethoven und Rossini, Mozart und Hindemith. Und vor allem gegen alle, die gerne klassisch-romantische Musik hören. Auch gegen die Musik von Karlheinz Stockhausen und Bernd Alois Zimmermann zogen die Fluxus-Leute zu Felde – mit kaputten Klavieren und heißen Tuben, mit zerschlagenen Geigen und lautlos tickenden Metronomen, mit Un- und Hintersinn, mit beißendem Humor. Eine Fluxus-Devise war: Frischer sein als die Musik von John Cage und Erik Satie.

Ein runder Geburtstag - 2022 wird Fluxus sechzig (ab 20 Uhr)

Fluxusmann im Wasser

Was Fluxus aber ist, weiß bis heute keiner ganz genau. So oder so ähnlich lautet eine der bekanntesten Fluxus-Definitionen aus dem Lager der Macher. Die Bild-Zeitung hingegen erkannte schon damals schnell die zentralen Kriterien des von George Maciunas (1931-1978) ins öffentliche Leben gehievten Genres. Als das weltweit erste Fluxus-Festival im September 1962 in Wiesbaden stattfand, titelte das Boulevard-Blatt: "Musik mit Ei". Völlig zu Recht.

Sven Daiggers "Waldfegen" ist eine Rundfunkoper in vier Klangskulpturen, drei Predigten, einem Flugzeugabsturz und einem Flugzeugaufsturz für Vokaloktett, Sprecher, Klavier und Elektronik. Die neue Produktion von hr2-kultur und SWR2 ist eine kompositorische Reflexionen über einige Aspekte aus dem künstlerischen Oeuvre von Joseph Beuys (1921-1986). Vorab hören wir ein Werkstattgespräch, das Stefan Fricke und Bernd Künzig, Redakteure beim hr und SWR, mit dem in Weimar lebenden Komponisten Sven Daigger (*1984) geführt haben.

Medienmix und Selbstbelustigung

Hieronymus Bosch malt "Das Konzert im Ei" mit Musikern in einem großen Ei

In Stefan Frickes "Musik mit Ei", dem fiktiven Radiospiel über und mit Fluxus-Dokumenten aus dem Jahr 1996 wird klar, dass sich Fluxus anfangs vor allem aus dem Geist der Musik nährte, man nannte es "Neueste Musik". Und Eier? Rohe und gekochte warf der koreanische Aktionskünstler Nam June Paik (1932-2006) im intermedialen Treiben der 1960er Jahre gern an die Wand - des Klanges wegen. In dem fluxesken Radiospiel von Stefan Fricke besuchen die Protagonisten Ute (Susanne Hoss) und Georg (Bruno Winzen) einige Fluxus-Events, tauschen sich darüber aus, verhandeln die Sechziger-Szenerie und sich selbst. Am Samstag, 17.9.2022 ab 20 Uhr in hr2-kultur.

Gründung 1962: Interesse ja, Akzeptanz nein

Videobeitrag

Video

"Man war tolerant und hatte seinen Spaß"

Êin Mann lüftet seinen Hut
Ende des Videobeitrags

Zu "neuester Musik" hatte man eingeladen - das vorwiegend jugendliche Publikum wusste nicht recht, was es erwartete und amüsierte sich dann doch über die Klänge vom Podium: Da wurde geklopft und geklatscht, rumort und arhythmisch gespuckt. 1962 ein Skandal - und was sich damals Fluxus nannte, war Gegenstand phantasievoller Kameraführung und Kommentierung im Bericht der Hessenschau vom 11. September 1962.

Nicht tot zu kriegen

Videobeitrag

Video

"Fluxus ist in die Jahre gekommen - aber Phantasie ist beharrlich"

Zwei Männer fahren in unterschiedlicher Sitzposition auf einem Fahrrad
Ende des Videobeitrags

Schon knapp 25 Jahre nach ihrer Gründung zeigte die Bewegung Alterserscheinungen, aber immer wieder wurde sie aufgefrischt und am Leben gehalten: Künstler aus dem In- und Ausland versorgten Fluxus mit neuer Kunst, ganz nach dem Motto: Vom Witz des gestalteten Zufalls. Im hr-Archiv findet sich ein Bericht aus dem Jahr 1986 dazu.

Archivschätze – Rebellion der Verneinung (ab 14 Uhr)

Konzert für Packpapier im Kurhaus, 13. November 1964

Der Aktions-, Happening- und Fluxus-Künstler Wolf Vostell (1932-1998) realisierte im Jahr 1969 zwei Radiostücke: Hundertmal hören und spielen für den Westdeutschen Rundfunk und Rebellion der Verneinung für den Hessischen Rundfunk. Beide sorgten bei den Zuhörern für große Irritationen, besonders die hr-Sendung. Die Hörfunk-Collage Vostells, bestehend aus Thesen, Gedanken und Textschnipseln über den Stand des kulturellen Bewusstseins, provozierte einen Polizeieinsatz. Die Frankfurter Ordnungshüter versuchten das Rundfunkgebäude zu stürmen, da man vermutete, der hr sei von Revolutionären besetzt. Thomas Kirdorf hat die Vorgänge von 1969 über drei Jahrzehnte später in einem eindrucksvollen Feature rekonstruiert. Am Samstag, 17.9.2022 ab 14 Uhr in hr2-kultur.

Live Jazz - Von Latrinophonikern und Telefonbuchmusik (ab 19 Uhr)

John Cage

Wie klingt ein Telefonbuch? Können zwölf Traktoren Musik machen? Was ist "brötzen"? Was ist ein Latrinophon? Und kann man mit einer Pistole dirigieren? Antworten darauf geben der schwedische Schlagzeuger und Experimental-Künstler Sven-Åke Johansson, der deutsche Saxophonist, Maler und Objektkünstler Peter Brötzmann - und der US-amerikanische Bandleader und Musikkomiker Spike Jones. Peter Brötzmann und Sven-Åke Johansson haben ihre Musiken auch aus dem Geist von Fluxus entwickelt. Und zu den Fluxus-Ahnen zählte Fluxus-Chef George Maciunas neben John Cage und Marcel Duchamp auch Spike Jones. Am Samstag, 17.9.2022 ab 19 Uhr in hr2-kultur.

Sendungen: hr2-kultur, 17.9.2022, ab 14 Uhr