Renaissance-Krimi: Lesung ab 10. Juni im Radio und in der ARD Audiothek Ein Mord, viele Verdächtige - Laurent Binets "Perspektiven"
Im Florenz des 16. Jahrhunderts wird ein Kirchenmaler tot aufgefunden. Ist Jacopo Pontormo bei der Arbeit an seinen Fresken vom Gerüst gestürzt? Kaum: Aus seinem Herzen ragt ein Meißel – klares Zeichen eines Verbrechens. Mit der Aufklärung wird Künstlerkollege Vasari beauftragt, der wiederum Michelangelo selbst zur Hilfe bittet. War es ein Mord unter Konkurrenten, hatte jemand religiöse oder politische Motive? Laurent Binet eröffnet einen fesselnden historischen Krimi, den er in Briefen erzählt. Zwanzig prominente Stimmen lesen, darunter Sylvester Groth, Felix von Manteuffel, Werner Wölbern, Nele Rosetz, Lea Draeger und viele andere. Spoiler: Es ist bis zum Schluss spannend!
Offenkundig gibt es unterschiedliche Einschätzungen der künstlerischen Qualität des Ermordeten. Der Kollege Bronzino, damit beauftragt, Pontormos Fresken in der Kapelle zu vollenden, erklärt diesen zum würdigen Nachfolger des nach Rom entschwundenen Michelangelo. Andere, allen voran der ermittelnde Vasari, finden die Fresken obszön und können darin nur übereinander gestapelte nackte Leiber erkennen. Das Lage wird noch komplizierter, nachdem man im Atelier des Ermordeten eine malerische Kopie von Michelangelos Skizze "Venus und Cupido" findet, auf dem die lüsterne Venus unverkennbar die Gesichtszüge der ältesten Tochter des florentinischen Herzogs trägt, Maria de‘ Medici.
Nun schaltet sich auch die Königin von Frankreich heimlich ins Geschehen ein: Sie will das skandalöse Gemälde mit dem Marienantlitz in ihren Besitz bringen, um damit das florentinische Herrscherhaus zu beschädigen und Einfluss in der Stadt zu gewinnen. Und sie schreckt nicht davor zurück, einen Auftragsdieb anzuheuern. Während die porträtierte Maria mit scheinbar harmlosen Herzensangelegenheiten beschäftigt ist, kämpft ihre Mutter, Herzogin Eleonora von Toledo, nun um die Vernichtung des rufschädigenden Gemäldes und ruft dafür sogar den heiligen Stuhl an...
Kunstvoll schmückt Laurent Binet historische Vorgänge im Florenz der Renaissance-Zeit aus: Zwar sind das Opfer Jacopo da Pontormo, die Ermittler Giorgio Vasari und Michelangelo Buonarroti oder die Mitglieder des Herrscherhauses der Medici selbstverständlich verbürgte Figuren, doch historische Unschärfen und Wissenslücken über das 500 Jahre alte Personal erlauben dem Autor, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Darin liegt der Reiz dieses wortwörtlich perspektivenreichen Romans.
Laurent Binet wurde 1972 in Paris geboren und studierte Geschichte in Prag. Sein erster Roman "HHhH" wurde 2010 mit dem Prix Goncourt du Premier Roman ausgezeichnet. Der Roman "Die siebte Sprachfunktion" wurde 2015 mit dem Prix Interallié und dem Prix du Roman Fnac ausgezeichnet. Für "Eroberung" erhielt der Schriftsteller 2019 den Grand Prix de l'Académie française. Stefan Kaminski las den Roman 2020 in einer Produktion von hr2-kultur mit dem Argon Verlag.
"Perspektiven" gewann den Prix Naissance d’une œuvre und den Prix du roman historique, und ist, wie schon die letzten Romane, in der Übersetzung von Kristian Wachinger im Rowohlt Verlag erschienen. Die Hörfassung erscheint jetzt als Koproduktion von MDR, NDR und hr – in der Regie von Steffen Moratz.