Ab 26. Mai im Radio und in der ARD Audiothek Thomas Mann: Meisterwerke zum 150. Geburtstag
Am 6. Juni feiert die Literaturwelt den Nobelpreisträger. Die ARD Audiothek präsentiert Aufnahmen aus den Archiven, Klassiker wie "Mario und der Zauberer" und "Tod in Venedig". Zum Jubiläumspaket trägt hr2-kultur mit Dieter Manns Lesung von "Der kleine Herr Friedemann" und "Wälsungenblut", gelesen von Ulrich Noethen, bei - ergänzt durch den Briefwechsel von Thomas und Heinrich Mann.
26. – 28. Mai: Der kleine Herr Friedemann
Wie ist es, wenn man jung ist, begabt, sehnsüchtig – und doch anders? Der Lübecker Kaufmann Johannes Friedemann ist klug und lebenshungrig. Einer, der das Theater, die Musik, das Schöne liebt. Doch ein Unfall kurz nach der Geburt hat ihn entstellt. Thomas Mann erzählt in seiner Novelle die tragische Geschichte eines jungen Mannes, der im Schatten lebt.
Eines Tages kommt der Oberstleutnant von Rinnlingen mit seiner Gattin Gerda in die Stadt. Der aufwändige Lebensstil der kinderlosen Frau erregt Aufsehen. Johannes Friedemann ist schockverliebt. Bald wird er im Hause der Rinnlingens zum Musizieren empfangen – doch Gerda gibt sich abwechselnd einfühlsam und unterkühlt. Wie wird seine Liebe zur Offiziersgattin das Leben des kleinen Herrn Friedemann ändern?
30. Mai und 2. Juni:
Auszüge aus dem Briefwechsel von Thomas und Heinrich Mann
Die Schriftstellerbrüder Thomas und Heinrich Mann verband ein wechselvolles Verhältnis: Nach anfänglicher Nähe und familiärer Vertrautheit, distanzierten sich die beiden voneinander, insbesondere aufgrund unterschiedlicher literarischer und politischer Positionen. Nach dem Tod ihrer Mutter 1923, vor allem aber als Exilanten in Frankreich und den Vereinigten Staaten, fanden die Brüder später wieder zusammen. All dies spiegelt ihr lebenslanger Briefwechsel.
3. – 6. Juni:
Wälsungenblut
Thomas Manns Erzählung "Wälsungenblut" ist eine literarisch herausragende Parodie auf Wagners "Walküre" und den Wagner-Kult im Deutschen Kaiserreich. Im Zentrum steht das Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde Aarenhold. Die beiden stammen aus einer großbürgerlichen jüdischen Familie, sie stellen überzogen Ansprüche zur Schau, tragen extravagante Kleidung und gehen Hand in Hand, wiewohl Sieglinde dem protestantischen Verwaltungsbeamten von Beckerath versprochen ist. Am Abend vor der Hochzeit besuchen die Geschwister noch einmal zu zweit die Oper "Walküre" und landen ähnlich den Wagner’schen Götterkindern hernach auf dem heimischen Eisbärenfell.
Die Erzählung stammt aus dem Jahr 1905, wurde aber erst 1921 veröffentlicht, wohl vor allem aus familiären Gründen: Thomas Mann war damals frisch verheiratet mit Katia Pringsheim und wollte Gerüchten zuvorkommen, nach denen er in dieser Erzählung seine Frau und Schwiegerfamilie nachgezeichnet habe. Immerhin besaß auch Katia einen Zwillingsbruder Klaus. Bis heute wird jedoch diskutiert, ob es wirklich nur familiäre Rücksichten waren oder ob Thomas Mann – der spätere Exilant und entschlossene Gegner der Nationalsozialisten – auch Sorge hatte, man könne ihm in seiner höchst parodistischen Schilderung eine antisemitische Haltung unterstellen. Allen Debatten zum Trotz: Der Thomas-Mann-Verehrer Marcel Reich-Ranicki zählte "Wälsungenblut" zu den besten Werken des Autors und nahm sie 2010 in seinen Hörkanon auf. Wir präsentieren daraus die Lesung mit Ulrich Noethen.