hr2-Kulturgespräch

Die Evergreens von Louis Armstrong oder Ella Fitzgerald sind nach wie vor populär. Komplexe Klanggemälde des Saxophonisten John Coltrane gelten als Klassiker. Aktuelle Stars wie Kamasi Washington suchen die Nähe zur Massenkultur. Wer sich die Vielfalt des Jazz vor Ohren führt, erkennt, dass das Image dieser Musik als "sperrig und schwierig" oft in die Irre führt. In dem Buch "Jazz und Spiritualität" erzählt Musiker, Komponist und Dozent Uwe Steinmetz die Geschichte des Jazz als Entdeckungsreise – zu einem tieferen Verständnis der eigenen Existenz und zu einer Musik, die Geheimnisse von Schöpfung und Leben erfahrbar macht. Ausgehend von der reichen Musiktradition Westafrikas beschreibt Steinmetz zunächst die Entstehung von Gospel, Blues und Jazz zwischen dem 16. und frühen 20. Jahrhundert. Anhand exemplarischer Biografien und Werke vollzieht er nach, wie sich jene Musik, die als die "einzige originäre US-amerikanische Kunstform" gilt, ausdifferenzierte. Die dabei entstandene sakrale Musik ist mit dem Genrebegriff "Spiritual Jazz" allerdings nur unzureichend beschrieben. Steinmetz macht sie emotional fassbar, indem er seine zentralen Kapitel "Fire", "Truth" und "Prayer" nennt und Spuren dieser Kräfte im weiten Feld des Jazz nachweist. Wissenschaftlich fundiert zeigt er zugleich auf, wie die Entwicklungsstränge des Jazz durch die Verschmelzung ritueller Kulturtraditionen mit Improvisation einen universalistischen, spirituellen Freiraum entstehen ließen. Das Buch versteht sich aber auch als Handreichung für eigene Wege in die Welten der Jazz-Musik, der Spiritualität und religiöser Erfahrungen. Parallel zum Haupttext bieten QR-Codes immer wieder die Möglichkeit der unmittelbaren musikalischen Überprüfung des Geschriebenen.

Sendung: hr2-kultur, "Am Nachmittag", 24.11.2023, 17:10 Uhr