Vertrackt-verwinkelte Melodien, melancholisch-spröde Harmonien und unerwartete Stil- und Genrefusionen zwischen Neuer Musik und Jazzavantgarde verspricht das Konzert mit Altsaxofonistin Ingrid Laubrock. Lakecia Benjamin dagegen entwickelt mit ihrer eigenen "Soul Squad" einen tanzbaren Mix aus Soul, Funk, Jazz und Hip- Hop.

Ingrid Laubrock Quartet
Ingrid Laubrock, Altsaxofon, Komposition
Brandon Seabrook, Gitarre
Michael Formanek, Bass
Tom Rainey, Schlagzeug

Lakecia Benjamin - Pursuance: The Coltranes
Lakecia Benjamin, Saxofon
Victor Gould, Piano
Ivan Taylor, Bass
EJ Strickland, Schlagzeug

(Übertragung aus dem hr-Sendesaal)

Der Pianist Jason Moran nennt sie schlichtweg eine "echte Visionärin". Ingrid Laubrock, 1970 im Münsterland geboren, studierte in London und zog 2008 nach Brooklyn, wo sie sich in der Avantgarde-Szene der Stadt etabliert hat. Mary Halvorson, Anthony Braxton oder Dave Douglas sind nur einige der vielen hochkarätigen Namen, mit denen Sie in Projekten zusammen aktiv war und ist.

Die Kompositionen für das Projekt, mit dem sie in Frankfurt auftritt, entstanden schon vor drei Jahren, konnten aber wegen der Pandemie bisher nicht live aufgeführt werden. Eine bereits 2019 eingespielte Sextett-Fassung erscheint ebenfalls erst Ende dieses Jahres. Vertrackt-verwinkelte Melodien, melancholisch-spröde Harmonien und unerwartete Stil- und Genrefusionen zwischen Neuer Musik und Jazzavantgarde bilden den Rahmen für spontane Interaktionen zwischen hochkarätigen Improvisator*innen.

Sie spielt das gleiche Instrument wie Ingrid Laubrock, aber Lakecia Benjamin verkörpert darauf einen Gegenentwurf, fest verwurzelt in der afroamerikanischen Tradition mit ihrer bluesgetränkten Expressivität und ihrer immer auch körperlichen Dimension der Musik.

Als Bandleaderin ihrer eigenen "Soul Squad" entwickelt sie einen tanzbaren Mix aus Soul, Funk, Jazz und Hip- Hop, mit dem sie sich als legitime Nachfolgerin von Maceo Parker empfiehlt und garantiert jedes Publikum ins Schwitzen bringt. Parallel dazu beschäftigt sie sich aber auch mit den afroamerikanischen Innovatoren des Jazz der 60er- Jahre, allen voran John und Alice Coltrane. Auf ihrem stargespickten Album "Pursuance" (2020) setzte sie den beiden ein zeitgemäßes Denkmal.

Mit dem gleichnamigen Bühnen-Programm "Pursuance – the Coltranes" hebt Benjamin die oft vernachlässigte Pianistin und Komponistin Alice Coltrane auf eine Stufe mit ihrem berühmteren Ehemann. Gleichzeitig knüpft sie an die spirituelle Dimension von John Coltranes Schaffen an: "Er sprach zu Gott in der Sprache, die er kannte, der Sprache des Klangs." Dazu kann man stehen, wie man will, aber das hymnisch-ekstatische Level, das Lakecia Benjamin mit ihrem Quartett und mit ihren mal zärtlich gehauchten, mal schneidend scharfen Altsaxofon-Tiraden erreicht, lässt niemanden kalt.

Sendung: hr2-kultur, "53. Deutsches Jazzfestival", 27.10.2022, 19:04 Uhr.