Ein Motoradunfall ihres geliebten Mannes hat das Leben der Heldin erschüttert. Das ist zwanzig Jahre her und der Schmerz lässt nicht nach. Jetzt rekonstruiert sie den Vorfall erstmals bis ins letzte Detail, und ihr drängt sich die Frage auf: Sind es lauter kleine Zufälle, die zu dem tragischen Ereignis führten - oder steckt doch eine schicksalhafte Logik hinter allem?

Alle Lesungen sind ab Sendung bis 18. November in der ARD-Audiothek online zu hören.

Im Laufe von Brigitte Girauds rasanter Schilderung des autobiografischen Geschehens, glaubt man immer mehr an ein Fatum. Der Roman wurde mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Melanie Straub hat ihn eindringlich gelesen. "Was wäre gewesen, wenn" - als Brigitte Giraud aufgrund von Immobilienspekulationen ihr Haus verlassen muss, in das sie vor zwanzig Jahren eigentlich mit ihrem Mann hatte einziehen wollen, stellen sich ihr diese Fragen: "Wenn ich nicht darauf bestanden hätte, dieses Haus anzusehen. Wenn wir die Schlüssel zu dem Haus nicht schon vor dem Einzug ausgehändigt bekommen hätten. Wenn meine Mutter nicht meinen Bruder angerufen hätte, um ihm zu sagen, dass wir über eine Garage verfügten. Wenn mein Bruder während seiner Woche Urlaub dort nicht sein Motorrad untergestellt hätte ..." Mit dem Auszug aus dem belasteten Haus scheint der Moment gekommen, sich der Vergangenheit zu stellen. Gewissenhaft dekliniert die Autorin alle Umstände durch, die zu dem Ereignis führten, dass ihr Leben in Scherben schlug. Lange habe es gedauert, bis sie dieses autobiographische Buch habe schreiben können, sagt die Autorin. Erst jetzt konnte sie die Kausalkette rekonstruieren, die zu dem tödlichen Unfall führte, und umkreist dabei uns alle betreffende universelle Fragen: Was im Leben löst Katastrophen aus? Wie schnell kann alles vorüber sein? Und: Gibt es Schicksal?

Brigitte Giraud wurde 1960 in Sidi Bel-Abbès (Algerien) geboren. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in Lyon, wo sie auch heute noch lebt. Sie arbeitete als Buchhändlerin, Übersetzerin und Journalistin. Sie veröffentlichte zahlreiche mit Preisen ausgezeichnete Romane. Für „Vivre vite“ erhielt Giraud 2022 den bedeutendsten Literaturpreis Frankreichs, den Prix Goncourt. Der Schriftsteller und Übersetzer Michael Kleeberg übertrug „Schnell leben“ aus dem Französischen ins Deutsche.

Melanie Straub studierte von 2000-2004 Schauspiel an der Ernst Busch-Hochschule in Berlin. 2006 erhielt sie den Förderpreis für junge Künstler am Schauspiel Magdeburg, 2010 folgte der Otto-Kasten-Preis für junge Theaterkünstler, 2015 der Potsdamer Theaterpreis. Straub ist auch in Filmen zu sehen, u.a. in "Babylon Berlin" (2017) und "Systemsprenger" (2019). Seit der Spielzeit 2020/21 ist sie festes Ensemblemitglied am Schauspiel Frankfurt. Für den Hessischen Rundfunk hat sie bereits mehrere Hörbücher gesprochen.

Weitere Informationen

Produktion: hr / speak low 2023
Regie: Marlene Breuer
Besetzung: Heike Oehlschlägel
Assistenz: Natalie Gengnagel
Redaktion: Julika Tillmanns

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Sendung: hr2-kultur, "Lesung", 28.09.2023, 9:05 - 9:30 Uhr.