"Die meisten meiner Sinfonien sind Grabdenkmäler", hat Schostakowitsch in einem Gespräch geäußert. Seine fünfte Sinfonie widmete er den "Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution".

Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt
Leitung: Eliahu Inbal

Schostakowitsch: 5. Sinfonie d-Moll op. 47

(Aufnahme vom 23. und 24. November 1988 aus dem Großen Saal der Alten Oper Frankfurt)

Das Werk entstand innerhalb von nur vier Monaten. Schostakowitsch befand sich zu dieser Zeit in einer lebensbedrohenden Situation.
Die Menschen rund um ihm waren kurz zuvor in Lager abtransportiert worden, Freunde waren erschossen worden. Und ihm hatte man ganz deutlich gedroht als Komponist nach der Oper "Lady Macbeth von Mzensk". Er musste etwas Anderes schreiben. Und er schrieb diese fünfte Sinfonie und wurde mit dieser Sinfonie sozusagen rehabilitiert. Immer galt diese Sinfonie als traditionelles Werk mit einem großen Finale, als lebensbejahend. Sie galt als positiv bejahende Musik. Positiv bejahend 1937 in der Sowjetunion war nichts besonders Schönes. Das monumentale Finale beispielsweise, besonders die aggressive Blechbläserwucht gegen Ende des Finales, deuteten die politischen Reihen in der Zuhörerschaft als Zeichen des endgültigen Sieges.

Ende der 70er Jahre erschienen die Memoiren von Schostakowitsch. Und da steht etwas völlig Anderes drin: "Was in der fünften Sinfonie vorgeht, sollte jedermann klar sein: der Jubel ist erzwungen. So, als schlage man uns mit Knüppeln und verlangt: jubeln sollt ihr, jubeln sollt ihr!"

Der russische Musikwissenschaftler Josif Raiskin empfand den Schluss als ein "verwirrend helles Licht". Die Schläge auf die große Trommel wirkten auf ihn wie Nägel, die in einen Sarg eingeschlagen werden.

Auch für Mstislaw Rostropowitsch stand fest, dass die Sinfonie zwei Gesichter habe: "Eines für die Funktionäre, die sehr glücklich über die Fanfaren im Finale sind, über den unglaublich lauten Klang (...). Aber für mich, den Freund Schostakowitschs, ist dieses D-Dur, als ob man mir den Arm auf den Rücken dreht, ein Messer an die Seite hält und der Angreifer befiehlt: 'Lächeln!'".

Sendung: hr2-kultur, "Archivschätze", 24.09.2022, 14:04 Uhr.