Als normaler Musikliebhaber kann man bei Bruckner-Sinfonien sehr leicht den Überblick verlieren, denn fast alle gibt es in mehreren Fassungen. Von "Urfassung" ist da oft die Rede, von "Originalfassung", von "Zweitfassung" oder von der "soundsovielten revidierten Fassung".

Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt
Leitung: Eliahu Inbal

Bruckner: 1. Sinfonie c-Moll (Linzer Fassung)

(Aufnahme vom 29. und 20. Januar 1987 aus dem Großen Saal der Alten Oper Frankfurt)

Bei der ersten Sinfonie ist das aber noch relativ einfach. Auch von ihr gibt es zwei Fassungen. Sie liegen aber sowohl zeitlich als auch geografisch sehr weit auseinander. Die erste Fassung komponierte Bruckner als junger Mann in Linz - sie wird "Linzer Fassung" genannt. Die zweite Fassung erstellte er nur wenige Jahre vor seinem Tod in Wien, das ist die "Wiener Fassung".

Meistens werden Bruckner-Sinfonien in der letzten Fassung gespielt - mit dem Argument, die sei seine letzte kompositorische Entscheidung gewesen. Bei der ersten Sinfonie ist es jedoch umgekehrt. Hier wird meistens auf die frühe "Linzer Fassung" zurückgegriffen - vor allem auch um zu demonstrieren, wie der junge Anton Bruckner in seinen sinfonischen Anfangsjahren geklungen hat. Dieser "junge" Bruckner allerdings war schon 41 Jahre alt, als er seine erste Sinfonie vollendet hatte.

Sendung: hr2-kultur, "Archivschätze", 29.10.2022, 14:04 Uhr.