1912 schreibt Blaise Cendrars das Gedicht "Ostern in New York": "Herr, heute ist der Tag, der deinen Namen hat, ich las in einem Buch von deinem Einzug in die Stadt". Wie im christlichen Auferstehungsberichts lässt es den ausgehungerten und vereinsamten Poeten zur Sprache kommen: "Herr, als Du starbst, riß der Vorhang entzwei / Was dahinter zu sehen war, brachte uns niemand mehr bei."

Mehr als 100 Verse schreibt er nieder. Zu erkennen gibt sich hier der Poet als ein in der Großstadt verlorener Mensch, der in einem einfachen chinesischen Lokal vor einem Glas Tee sitzt und sich eine noch grausamere Passionsgeschichte ausmalt, als sie im Neuen Testament zu lesen ist.

Blaise Cendrars in der Uniform der Fremdenlegion, 1916

Blaise Cendrars wurde am 1. September 1887 in La Chaux-de-Fonds, Kanton Neuenburg in der Schweiz geboren, er starb am 21. Januar 1961 in Paris. Sein eigentlicher Name war Frédéric-Louis Sauser. Der französischsprachige Schweizer Schriftsteller und Abenteurer lebte in der Schweiz, in New York und in Paris. Hier pflegte Freundschaften im Pariser Künstlermillieu, mit Amedeo Modigliani, Marc Chagall, Georges Braques, Fernand Legèr und den Delauneys, kämpfte in der französischen Fremdenlegion, arbeitete für den Film und leitete einen Verlag. Sein schriftstellerischer Nachlass befindet sich im Literaturarchiv in Basel, sein Gesamtwerk-Werk umfasst ca. 40 Bände.

Der Schweizer Schriftsteller Jürg Federspiel erzählt in seinem Radio-Feature von 1961 Blaise Cendrars schillerndes Leben als Reisender, Romanautor, Tausendsassa, Überlebenskünstler und Dichter zwischen den Kontinenten und Metropolen am Beginn des 20. Jahrhunderts.

Sendung: hr2-kultur, "Archivschätze", 08.04.2023, 14:04 Uhr.