Eine Uraufführung nach 165 Jahren! Wenn die Welt nicht gerecht ist, wieso sollte es die Musikgeschichte sein? Immerhin kam es jetzt in Weimar zu einer gelungenen Rehabilitation.

Samson - Peter Sonn
Delilah - Emma Moore
Oberpriester - Avtandil Kaspeli
Abimelech - Uwe Schenker-Primus
Micha - Taejun Sun
Seran von Ascalon - Oleksandr Pushniak
Oberpriesterin - Sayaka Shigeshima
Gefangenenwärter - Jörn Eichler
Frau aus dem Volke - Franziska Löber

Chor mit Studierenden der Musikhochschule Weimar
Opernchor des Nationaltheaters Weimar
Staatskapelle Weimar
Leitung: Dominik Beykirch

(Aufnahme vom 11. September 2022 aus dem Großen Haus des Deutschen Nationaltheaters)

Der 1822 im schweizerischen Lachen geborene Joachim Raff ist heute kaum noch bekannt, allenfalls hat man den Namen in Zusammenhang mit Franz Liszt schon einmal gehört. Der berühmte Pianist hatte den erfolglosen Musiker mehr oder weniger von der Straße aufgelesen und in den 1850er Jahren in Weimar als Zuarbeiter und Assistenten angestellt - als "Central-Lastesel", wie Raff es formulierte. Nach seiner Trennung von Liszt war der Komponist in den 1860er Jahren recht erfolgreich mit seinen Sinfonien, eine Berühmtheit, die schnell wieder verblasste. 1877 wurde Raff erster Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt am Main, wo er auch 1882 starb.

Während der Weimarer Zeit hatte Franz Liszt die Idee, dass sein glückloser Mitarbeiter sich durch eine Promotion die Aussichten auf zukünftige Anstellungen verbessern solle - als Thema war der biblische Samson ausersehen. Aus der Doktorarbeit wurde nichts, aber das Sujet fesselte Raff so sehr, dass er eine Oper daraus machte, zu der er gleich selbst den Text schrieb. Vermutlich 1857 war das Stück fertig, aber zu einer Aufführung kam es nicht - weder in Weimar, noch in Darmstadt oder Dresden, die als Kandidaten im Gespräch waren. Und als dann 1877 Camille Saint-Saëns Oper "Samson et Dalila" äußerst erfolgreich ausgerechnet in Weimar uraufgeführt wurde, gab Raff auf, und sein Werk landete endgültig in der Schublade.

Jetzt also zum 200. Geburtstag die Premiere am Entstehungsort. Die Kritik rieb sich verwundert Augen und Ohren: "subtil und packend, ein großer Wurf", "meisterliche musikalische Gestaltung", ein "Ausgrabungsschmuckstück mit Überwältigungspotential", "sorgfältig und phantasievoll gearbeitet" - "das pure Vergnügen". Ein Werk also, das man sich nicht entgehen lassen sollte - eine Entdeckung, die sich lohnt.

Anschließend:

Mozart: Violinsonate G-Dur KV 379 (Daniel Hope / Sebastian Knauer, Klavier)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 11.02.2023, 20:04 Uhr.