Mitislaw am Stadtthetaer Gießen

Einen persiflierenden Operetten-Einakter komponierte Franz Lehar als Reaktion auf den Riesenerfolg seiner eigenen "Lustigen Witwe", der seit nunmehr 120 Jahren anhält. Wie modern ist denn sein "Mitislaw, der Moderne", ist das ein Stück zum Schenkelklopfen oder steckt mehr dahinter? - Auf jeden Fall mehr, in der Bearbeitung von Hauke Berheide und Amy Stebbins kommt nämlich zu den skurrilen Figuren noch ein Zensor dazu, der immer wieder Einspruch erhebt, aus dem Publikum heraus, eine non-binäre Person, die mit they/them angesprochen werden möchte, Rock trägt, dazu schwarze Herrensocken und sich als Zensor*in entpuppt - und im historischen, echten Zensor von 1907 den/die Kolleg*in erkennt.

Furios das Spiel, witzig, überzeichnet, albern bis in kleine Gesten hinein auf den Punkt - gekonnt inszeniert von Johanna Arrouas, im Flirtduett Mitislaw und Deodorante spielt Stadttheater-Urgestein Tomi Wendt sehr überzeugend Geige, darstellerisch und sängerisch eine Wonne! Deodorante, großartig besetzt von Julia Araujo, entwendet ihm den Bogen, führt zum letzten Triller selbst über die Saite, das muss man lange üben! Der Kanadier Clarke Ruth ist ein stimmgewaltiger Jerzabinka, der lieber seinen Plüschtiger streichelt, wenn’s kompliziert wird; die Schauspielerin Izabella Raclic als Gattin im Möbelstück vollbringt mit bezaubernder Handpantomime zu Beginn auch sängerisch und pianistisch eine Glanzleistung.

Das Ganze ist hautnah auf der Bühne im Kleinen Haus, die T-Förmig ins Publikum hineingezogen wurde, leicht und spielerisch. Dabei hilft, dass keine Geigen schluchzen – oder nur mal eine, Moritz Laurer, seit dieser Spielzeit Chordirektor und Zweiter Kapellmeister ist am Klavier und E-Orgel gefordert, jeweils unterstützt von den Darstellern, die gerade Pause haben, an Trommel, Triangel und diversen Instrumenten - insgesamt ein vergnüglicher Abend, der längst nicht so harmlos ist, wie es auf den ersten Blick scheint...


Mitislaw der Moderne
Operette von Franz Lehar
Stadttheater Gießen, Kleines Haus
Weitere Aufführungen 2., 9., 15., 23. Juni

                             

Sendung: 29.5.2024, 7:30 Uhr