Audio Komplexe, faszinierende Tiefe - Kybernetik als Kunst
Im Ausstellungsraum der Kunststiftung DZ Bank am Platz der Republik in Frankfurt werden dreimal jährlich thematische und monografische Ausstellungen mit Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern aus der Sammlung der DZ Bank gezeigt. Dabei sind alle Kunstwerke, die die Stiftung sammelt und zeigt mit dem Gedanken der Fotografie verknüpft. Die aktuelle Ausstellung, die noch bis zum 18. Oktober geht, trägt den Titel "Kybernetik. Vernetzte Systeme" - was bedeutet in diesem Zusammenhang "Kybernetik"?
Das Wort Kybernetik kommt von dem griechischen kybernetes, Steuermann. Der Begriff beschreibt die Wissenschaft von den Steuerungs- und Regelungsmechanismen in Systemen - belebten und unbelebten, etwa den Thermostat am Heizkörper. er bezieht sich aber auch auf soziale, organisatorische, ökonomische und politische Systeme. Die Kybernetik beschäftigt sich mit der Informationsverarbeitung in dynamischen Systemen. Der österreichische Kybernetiker und Philosoph Heinz von Foerster (1911-2002) sagte einmal "Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird". Der Raum werde also durch deine Handlungen offener, weiter. Um diesen Gedanken dreht sich die ganze Ausstellung.
Wie stellt sich das dar?
Am Anfang war für Christina Leber, die Kuratorin, wirklich dieser Satz. Und die Beobachtung, dass sowohl Kunst als auch Wissenschaft komplexe Systeme sind, die mit einer Vielzahl von Themen und Methoden die Welt untersuchen und häufig mit anderen Experten zusammenarbeiten und wiederum so zu neuen Techniken und Erkenntnissen kommen. Daraufhin hat sie die Sammlung der DZ Bank Kunststiftung durchforstet und Arbeiten ausgesucht, die künstlerische Fragestellungen zu vernetzten Systemen untersuchen.
Erschließt sich das dem Betrachter? Hört sich anspruchsvoll an...
Ist auch sehr anspruchsvoll. Ich fand es in der Ausstellung schwierig, die Gedanken zur Kybernetik, wie man sie im ausliegenden Begleitheft formuliert findet, in den Kunstwerken selbst zu entdecken. Diese sind in ihrer Ästhetik, ihren Bedeutungsebenen und ihrer Geschichte ebenfalls hochkomplex und ohne Vermittlung kaum zu erfassen. Mir hat sich die Ausstellung "Kybernetik. Vernetzte Systeme" erst durch die Führung von Frau Leber erschlossen. Dann hat sie allerdings eine faszinierende Tiefe gewonnen.
Wie kann man sich das vorstellen?
Am anschaulichsten im letzten Raum, im Kapitel "Sich selbst durch sich selbst sehen". Die Kunstwerke hier spiegeln große Unternehmen - wie die DZ-Bank selbst - als soziale Systeme wider, in denen Menschen, Technik und auch Architektur interagieren. So stellt John Baldessari zwei große Fotoarbeiten einander gegenüber. Die eine zeigt die Welt des Unternehmens durch einen Blick auf einen Konferenztisch. Man sieht Hände in Jakettärmeln, weiße Hemden, Kugelschreiber auf glänzender Oberfläche. Auf der anderen Seite des Raumes eine Reihe von wertvollen Tischlampen in Wohnräumen. Beides sind Filmstills aus alten Schwarz-weiß-Hollywood-Produktionen. Diese Bilder veranschaulichen die Verbindung von geschäftlicher und privater Welt der handelnden Akteure. Dazu kommt eine Serie von Robert Barry, der zu den Initatiatoren der amerikanischen Konzeptkunst gehört, hat eine Gruppe Mitarbeiter der Bank fotografiert, ihre Portraits aber mit Tusche übermalt, bis sie fast unsichtbar wurden und mit Worten wie "persönlich" und "Wandel" kombiniert.
Wie heißen die anderen Kapitel in der Ausstellung?
In dem Kapitel "Wahrnehmung und Sprache" sieht man eine frühe Arbeit von Jochen Gerz. Dieser hat, als er in Berkeley unterrichtete, seine Studenten existentielle Fragen formulieren lassen. Er druckte diese dann auf ein Foto, das das antike Orakel von Delphi zeigt. Dort stehen dann Fragen wie: wer war der erste Rassist? Warum sterben Kinder? Aber auch "Was soll ich Rachel zum Geburtstag schenken"? Die Städelabsolventin Adrian Williams zeigt Fotos von Reisen, die sie gemacht hat, die von Texten gerahmt sind, die mit den Reisen gar nichts zu tun haben und in der Kombination dann ganz neue Bedeutungsebenen erschließen. Kunstwerke in der Ausstellung befassen sich aber auch mit menschlichen Genen, den Funktionen des Auges oder der Frage wie viele Farben ein Computer errechnen kann, das ungefähr 16.700.000.
Ein komplexes Thema, anspruchsvolle Kunstwerke, überzeugt die Ausstellung denn auch sinnlich?
Ja, wenn man einen Zugang findet. Man braucht einen Leitfaden, am besten in Form von einer Führung oder einem Workshop. Im Rahmen der Ausstellung gibt es auch Workshops, Performances und Filmabende. Es lohnt sich, sich Zeit zu nehmen und sich einzulassen. Dann können sich wirklich Welten öffnen, neue Zusammenhänge erschließen – dann und das ist ein Zitat – "können wir vielleicht erkennen, dass Komplexität uns Lösungen bietet, statt sie als Problem zu betrachten".
Kybernetik. Vernetzte Systeme
bis 18. Oktober 2025
Empfangsbereich DZ Bank Cityhaus 2
Platz der Republik
Frankfurt
dienstags bis samstags 11 bis 19 Uhr
Der Einlass zur Ausstellung ist kostenfrei und ohne Anmeldung möglich
Bild: Christiane Feser, Felder 11, 2021, (Detail) - aus der Ausstellung Kybernetik in der DZ Bank Kunststiftung
Sendung: hr2-kultur: 13.6.2025, 7:30 Uhr