Zwei Trick-Hände nähen einen blutenden Trick-Leib zu aus Dana Kavelinas "Mark L. Tulip Who Spoke With Flowers" (Videostill)

Das Frauenmuseum Wiesbaden zeigt immer wieder Arbeiten von international aufsehenerregenden Künstlerinnen, die es in Deutschland erst noch zu entdecken gilt. So präsentiert die ukrainische Künstlerin Dana Kavelina ab morgen eine ihrer spektakulären Videoarbeiten. Stefanie Blumenbecker war bereits vor Ort, Stefanie, vielleicht zu Beginn die Frage, wer ist Dana Kavelina?

Die Künstlerin Dana Kavelina ist Ende 20 und lebte in Kiew und Lwiw, bevor sie vor zwei Jahren nach Berlin geflohen ist. Sie beschäftigt sich in ihrer Kunst intensiv mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, der ja nicht erst seit 2022, sondern bereits seit 2014 stattfindet und seither allgegenwärtiger Bestandteil des Lebens in ihrem Land ist. In ihren Zeichnungen und Videoarbeiten befasst sich Dana Kavelina entsprechend mit den Spuren der Gewalt, den Traumata und wie diese sich in das Bewusstsein und die Familienstrukturen einschreiben. Sie untersucht, wie die Kriegs- und Propagandamaschinerie Putins die Menschen einspannt und regelrecht verschlingt. So sind auf ihren Zeichnungen immer wieder offene Münder zu sehen, stumme Schreie und gequälte Körper. Auch die gezielte Gewalt gegen Frauen ist ein wichtiger Teil ihres Werkes. Dana Kavelinas Videoarbeiten wurden in den letzten Jahren weltweit gezeigt, u.a. im MoMA, New York (2023) oder im M HKA, in Antwerpen (2022).

Was ist von ihr aktuell im Frauenmuseum Wiesbaden zu sehen?

Dem Animationsfilm Mark L. Tulip Who Spoke With Flowers. ist im Frauenmuseum ein ganzes Stockwerk gewidmet. Das ist ja ein altes Fabrikgebäude aus Backstein und wenn man jetzt in den zweiten Stock kommt, steht man vor einer großen Leinwand, den Raum dominiert. Davor ist eine Bank, so dass man sich setzen und mit Muße den Film betrachten kann. Außer einem kurzen Wandtext ist in dem Raum nichts zu sehen, die Arbeit steht ganz für sich und hat mich auch sofort regelrecht eingesaugt, in ihren Bann gezogen.

Worum geht es in dem Film?

Der Film ist bereits 2018 entstanden und schildert die Ereignisse des militärischen Konflikts im Donbass aus Sicht der fiktiven Figur Mark L. Tulip. Das ist ein glücklicher Großvater, der in einem bescheidenen Haus mit einem großen Garten lebt, umgeben von Kindern und Enkeln. Sein glückliches Leben wird durch die politischen Ereignisse 2014 schlagartig auseinandergerissen. Erst versucht er, die Illusion seiner heilen Welt aufrechtzuerhalten, doch die Familie zerstreitet sich und als der Krieg nach Luhansk kommt, muss er fliehen. Es ist ein Animationsfilm, alle Tableaus hat Dana Kavelina mit Hilfe kleiner Handpuppen erstellt. Sie baut diese aus Einzelteilen, vernäht Stoffblumen, schafft puppenhausartige Räume und Zimmer und entwickelt mit diesen minimalen Mitteln Bilder von großer Sensibilität und Poetik. Es ist eine Filmerzählung, bei der es um Liebe, Blumen und die Kraft des Herzens geht. Mit alten Spitzendeckchen, Glasperlen, kleinen Spielzeugfiguren, Silberfolie und einem Füllfederhalter erzählt Dana Kavelina die große Tragik des Krieges wie in einem Märchen. Dazu ist eine melancholische Klaviermusik unterlegt und die Künstlerin selbst spricht den Text, die Untertitel sind auf Englisch.

Ich spüre, Sie sind von dem Film berührt?

Absolut. Er ist ja nur eine Viertelstunde lang, aber die Künstlerin schafft eine große Empathie für ihre Figuren und vermittelt auch die große Trauer, die neben dem Widerstandgeist und der Wut über die Angreifer sich über alles legt. Über die Orte und Menschen, die verloren sind und über das Leben, das vergangen ist. Sie nutzt die Blumen als Sinnbild für die Liebe und die Verbindung zum Jenseits, sie zeigt das Herz als großes Kraftzentrum und Stärke. Und sie schafft mit geringen Mitteln einen Zugang zur ukrainischen Kultur, ihrer Lebendigkeit und Tiefe.

Aber es ist augenblicklich nur die eine Arbeit von Dana Kavelina im Frauenmuseum Wiesbaden zu sehen?

Das ist richtig, die VideoarbeitMark L. Tulip Who Spoke With Flowerskann man ab morgen, dem 13. April und dann bis zum 26. Mai sehen, danach stellt das Frauenmuseum einen weiteren Film der Künstlerin vor, vom 27. Mai bis 14. Juli 2024. Eine ihrer neuesten Arbeiten, im Exil in Berlin entstanden, hat sie aus gesammeltem Material aus Museen und Archiven in den USA, Israel und Polen den Stop-Motion Film The Lemberg Machine (2023) produziert, der die historischen Geschehnisse in Lemberg ab 1939 in den Blick nimmt. Das wird nochmal sehr sehenswert, ich bin mir sicher.

Sendung: hr2-kultur, 12.4.2024, 7:30 Uhr