Die Tänzerin Katja Erfurth knetet in "Wandeln" Ton auf der Bühne

Seit dem vergangenen Jahr hat die Dresden Frankfurt Dance Company einen neuen Direktor, den griechisch-stämmigen Choreographen Ioannis Mandafounis. Manche kennen ihn vielleicht noch von der Bühne als Tänzer bei William Forsythe. Im Herbst stellten er und sein Ensemble die  umjubelte Premiere „A là carte“ vor, und diese Woche folgt die Frankfurt-Premiere des Solos „Scarbo“, das er mit seiner Tänzerin Manon Parent im letzten Jahr für die Premiere im Pariser Théâtre de la ville entwickelt hat.

Am vergangenen Wochenende war im Bockenheimer Depot aber erst einmal eine Choreographie aus anderer Hand zu sehen: Katja Erfurths und Florian Mayers Tanzstück „Wandeln“ für Kinder und Erwachsene. Katja Erfurth tanzt barfuß im roten Kleid, der klassisch ausgebildete Violinist und Komponist Florian Mayer, ebenfalls barfuß, spielt in T-Shirt und bequemen Hosen Kompositionen von Johann Sebastian Bach und Neue Musik. Die beiden leben in Dresden und arbeiten bereits seit Mitte der neunziger Jahre zusammen. Den philosophischen Titel „Wandeln“ setzen die an der Palucca-Schule ausgebildete Tänzerin und der vielseitige Musiker  auf begeisternd wortwörtliche Weise um.

Aus dem abstrakten Begriff wird eine faszinierende Fülle kluger Bilder, die alle um die Möglichkeiten des Theaters kreisen. Natürlich wandeln die beiden auf der Bühne, wandelt die Tänzerin auf den Spuren und den Klängen der Musik. Aber sie verwandeln sich auch ständig. Und die Bühne wandelt sich. Wenn alles Licht erlischt und Erfurth eine Taschenlampe anmacht, um mit ihren Händen hinter einem Tuch ein Schattentheater zu spielen, staunt ein Kind: "OH!“ Wenn sie aus einem der vielen Ton-Klumpen Scheiben schneidet, diese im Kreis auslegt und sich genießerisch mit Händen und Füßen hineinstellt, ruft ein anderes Kind: „Was macht sie denn jetzt!?“. Mit großer Konzentration folgen die kleinen und die älteren Zuschauer diesem ernsten, überraschenden, wirklich große Phantasieräume eröffnenden Spiel der beiden. Mal tanzt der Musiker seinem Bogen hinterher, als wollte er ein imaginäres Orchester dirigieren, mal paddelt die Tänzerin mit einem Bambusstock wie auf einer träumerischen Flussfahrt.

Aus dem Ton knetet sie eine kleine, vom Licht vergrößerte Schattenlandschaft, in der wir alle plötzlich wohnen. Oder sie formt aus dem Ton eine Maske, hinter der sie ihr Gesicht zu einem geheimnisvollen Maskentanz verbirgt. So zeigen Katja Erfurth und Florian Mayer, wie schön, wie unterhaltsam, wie spielerisch und klug ein Theater sein kann, das schon seine kleinsten Zuschauer ernst nimmt und nicht unterschätzt.

Seit ihrem Studium an der Palucca Schule fasziniert die Tänzerin und Choreografin Katja Erfurth die Verschmelzung der Künste. So bezieht sie in ihre tänzerisch-choreografische Sprache Live-Musik, Objekte, Materialien und Requisiten ein und findet so zu vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen. Nach mehreren Jahren als Tänzerin an der Semperoper in Dresden arbeitet sie seit 1997 als freie Tänzerin und Choreografin. Es entstanden unter anderem zahlreiche Solotanzproduktionen. Eine besondere Leidenschaft hat sie für Tanztheaterstücke und Projekte für große und kleine Zuschauer. Auf die Premiere ihres Stückes „Käthy im Wunderland“ im Jahr 2013 folgten über 70 Vorstellungen. 2020 erhielt Katja Erfurth den Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden. (Pressetext der Dresden Frankfurt Dance Company, DFDC)

Sendung: hr2-kultur, 23.1.24, 7:30 Uhr