"Demokratien sind die historische Ausnahme, nicht das Ziel der Geschichte", meint der Historiker Philipp Blom in seiner Geschichte der Kleinen Eiszeit. Das Klimaphänomen suchte die nördliche Halbkugel während des 17. Jahrhunderts heim und wird verantwortlich gemacht für gesellschaftliche Verwerfungen aller Art, mit dem Dreißigjährigen Krieg als grausamem Höhepunkt. Eine Folie für die Klimakrise der Gegenwart, ihre Folgen und ihre Bewältigung? Zusammenbrüche sind nie das Ende, meint Blom; aus Krisen entsteht immer etwas Neues, auch wenn es unsere Weise zu leben und zu wirtschaften radikal in Frage stellen wird.

Der in Wien lebende Historiker wird oft auch als "Fachmann für Krisen aller Art" bezeichnet. Tatsächlich haben seine Bücher meist mit Umbrüchen zu tun; Blom hat 2009 den "taumelnden Kontinent" in den Jahren vor und 2014 "Die zerrissenen Jahre" nach dem ersten Weltkrieg beschrieben, und 2011 mit "Böse Philosophen" das Entstehen der Aufklärung in einem Pariser Salon beobachtet. Wie kaum ein anderer versteht der Autor, den Geschichtskuchen von ungewohnten Seiten her anzuschneiden, ganz gleich, ob er (2018) in "Eine italienische" Reise seine Geige auf dem bizarren Weg durchs 18. Jahrhundert, von Füssen über Venedig nach Paris begleitet oder jüngst den Maler Alessandro della Molina erfindet, der die Leserschaft ins lebenspralle und nicht unbedingt lebenswerte Italien um 1700 entführt. Der Fachmann für Krisen kann nämlich beides: Geschichte schreiben und Geschichten erfinden. Säuberlich getrennt natürlich. Mit Autor Philipp Blom spricht Andreas Bomba. Gastgeber: Andreas Bomba

Gastgeber: Andreas Bomba

Musiktitel dieser Sendung:
Carlo Gesualdo: Tristis est anima mea / Collegium vocale Gent, Philippe Herrweghe
Jordi Saval: Lachrimae Caravaggio / Jordi Savall
Johann Sebastian Bach : Sarabande aus Partita h-Moll BWV 1002 / Isabelle Faust, Violine
Christian Abel : Arpeggaiata, aus Suite d-Moll / Paolo Pandolfo, Gambe

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Buchhinweis:

Philipp Blom: "Diebe des Lichts", Blessing Verlag 2021, Preis: 24,- Euro

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Wiederholung eines Gesprächs vom 20.01.2022

Sendung: hr2-kultur, "Doppelkopf", 09.09.2022, 12:00 Uhr.