Unter dem Eindruck der rasanten technischen Aufrüstung während des Zweiten Weltkrieges, und vor allem angesichts der beiden Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki, notiert Max Frisch Ende der 1940er Jahre in sein Tagebuch: "Wir können, was wir wollen, und es fragt sich nur noch, was wir wollen; am Ende unseres Fortschritts stehen wir da, wo Adam und Eva gestanden haben; es bleibt uns nur noch die sittliche Frage."

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Bis 24. März 2024 auf hr2.de und in der ARD-Audiothek

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Bis 1957, als sein Roman "Homo faber" erscheint, hatte sich die Geschwindigkeit der technischen Entwicklungen noch einmal rasant beschleunigt. Der Titel meint dabei nicht nur die zentrale Figur des Romans, sie ist ein feststehender anthropologischer Begriff: Als "Homo Faber" bezeichnet man seit der Antike den Menschen als werkzeugmachendes Wesen. Bevor Frisch Schriftsteller wurde, arbeitete er als Architekt, unter dem Eindruck dieses in großen Teilen technischen Berufs, konstatiert Frisch, "der moderne Mensch [lebe] an sich selbst vorbei und [ergebe] sich dabei der Machbarkeitseuphorie der Technik. Sein tiefstes Wesen und sein Schicksal geraten ihm dabei aus dem Blick, menschliche Beziehungen und Kommunikation unterwerfen sich dem Diktat der Naturwissenschaften."

Jetzt erkennt Frisch also nicht mehr nur ein moralisches Problem in einer zusehends durchtechnisierten Welt, sondern auch ein emotionales – der Mensch, der glaubt, das Leben nach den Gesetzen von Logik und Wissenschaft organisieren zu können, kommt sich zusehends selbst abhanden, er verliert sukzessive seine Kommunikationsmöglichkeiten, seine Empathiefähigkeit sowie das Bewusstsein für die eigenen Ängste und Sehnsüchte.

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Sendedaten Teil 2 und 3

Montag, 25.12.23 und Dienstag 26.12.23, jeweils 15.00 Uhr

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In der kalten Sprache eines Berichts greift Frisch bereits vor etwa siebzig Jahren eine Sorge auf, die heute zwischen Instagram, WhatsApp und Facebook mehr und mehr zu unserem Alltag wird. Manche Sätze aus "Homo faber" klingen dabei fast schon wie Statements in einem gegenwärtigen, technikpreisenden Blog: "Der Mensch als Beherrscher der Natur, und wer dagegenredet, der soll auch keine Brücke benutzen, die nicht die Natur gebaut hat. Dann müsste man schon konsequent sein und jeden Eingriff ablehnen, das heißt: sterben an jeder Blinddarmentzündung. Weil Schicksal!"

Mit Matthias Brandt, Paula Beer, Eva Mattes, Ueli Jäggi u.v.a.

Musik: Jörg Achim Keller & hr-Bigband
Hörspielbearbeitung: Heinz Sommer
Regie: Leonhard Koppelmann
hr/Der Hörverlag 2018 | 88 Min.

Paula Beer (Sabeth) und Matthias Brandt (Walter) bei der Hörspielproduktion zu "Homo faber"
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Sendung: hr2-kultur, "Hörspiel", 24.12.2023, 15:00 Uhr.

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