Das für Komponist*innen des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts typische Schwanken zwischen absoluter und programmatischer Musik zeigte sich bei Gustav Mahler in seinen ersten vier Sinfonien.

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Kent Nagano

Mahler: 6. Sinfonie a-Moll

(Übertragung aus der Philharmonie)

Die folgenden drei rein instrumentalen Sinfonien fünf bis sieben sind dagegen frei von solchen Ambivalenzen, und nur für die Sechste hat sich ein - allerdings nicht von Mahler stammender - Beiname in der Rezeptionsgeschichte festgesetzt. Kaum einer Hörerin oder einem Hörer des Werks wird die Bezeichnung "die Tragische" aber als unangemessen erscheinen. Tatsächlich komponierte Mahler hier, trotz idyllischer und gesanglicher Zwischenpassagen, eine kompromisslos düstere Weltsicht aus.

Die 1906 unter Mahlers Leitung in Essen uraufgeführte Sinfonie stellt ein Beispiel für ein in der Musikgeschichte oft anzutreffendes Phänomen dar: Für besonders düstere Musik nämlich, die Komponist*innen in eigentlich glücklichen Lebensphasen schrieben. Mahler hatte sich zu diesem Zeitpunkt als allgemein anerkannter Wiener Hofopern-Direktor etabliert und war zudem in vergleichsweise späten Jahren zum Familienvater geworden. So wird der Gehalt des Werks oft als visionärer Ausblick auf kommende Schrecken gedeutet. Der erste Satz wird von einem unerbittlichen militärischen Gestus beherrscht, und Marschrhythmen durchziehen auch das Scherzo. Als Vorboten des Todes gelten sowohl die brachialen Hammerschläge im fast 30 Minuten in Anspruch nehmenden Finale, als auch das in drei Sätzen erklingende Glockengeläut.

Am Pult steht mit Kent Nagano der Ehrendirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin.

Anschließend:
Beethoven: Eroica-Variationen Es-Dur op. 35 (Mari Kodama, Klavier)
Adams: Seven choruses aus "The Dead of Klinghoffer" - Auswahl (London Opera Chorus / Orchestre de l'Opéra de Lyon / Kent Nagano)

Sendung: hr2-kultur, "Konzertsaal", 23.06.2023, 20:04 Uhr.