Ich wache auf. War da nicht ein lauter Knall? Bin ich davon aufgewacht? Ich spüre noch die Kälte, obwohl ich bei meiner Familie in der Höhle liege. Der Winter ist also noch nicht vorbei. Vielleicht war es auch nichts. Vielleicht habe ich nur Hunger bekommen. Ich stehe kurz auf, laufe zu unserem Wintervorrat, esse etwas und lege mich wieder hin. Einige Wochen später wache ich wieder auf. Ich spüre die Wärme und ein paar Sonnenstrahlen scheinen in unsere Höhle. Die Luft riecht heute nach Frühling. Meine Familie schläft noch, ich krabbele aus der Höhle heraus und atme erstmal tief durch. Die Luft ist klar, aber es ist seltsam still. Ich höre nur Wind und überlege, was fehlt. Vögel. Ich höre gar kein Vogelzwitschern. Ich laufe meine normale Route. Aber mir fällt auf, dass auf der großen Straße keine Autos mehr fahren. Normalerweise gehe ich nicht zu nah dran an die Straße, weil meine Mutter immer sagt, dass es zu gefährlich sei. Aber heute ist es anders. Kein Auto weit und breit zu sehen. Es wirkt wie ausgestorben. Ich versuche, die Stadt, die etwa einen Tagesmarsch entfernt liegt, ein wenig zu erkennen. Alles, was ich sehen kann, ist, dass keine Fahrzeuge zu sehen sind und dass die Häuser in der Ferne kaputt aussehen und dass kein Rauch aufsteigt über der Stadt.

Genug gesehen. Ich renne zu unserer Höhle zurück und erzähle den andern alles. Am nächsten Tag gehen wir zusammen zur Straße. In der Sonne fällt mir auf, dass sich mein großer Bruder während der Winterruhe verändert hat. Sein Fell ist etwas grauer geworden und die schwarzen Flecken um die Augen sind jetzt richtig dunkel. Wieder keine Autos und alles ist ganz leise. Ich sehe ein paar andere Tiere, die offensichtlich dasselbe denken. Ich frage meine Mutter, ob wir vielleicht näher in die Stadt gehen könnten. Wir brauchen Futter. Und bei den Menschen haben wir bisher immer reichlich Futter gefunden. Die Menschen sammeln das Futter immer so schön für uns in den großen schwarzen Tonnen. Am liebsten mag ich diese goldenen, knusprigen, poppigen Maisbällchen. Wir machen uns zusammen auf den Weg in die Stadt. Diesmal laufen wir mitten auf dem Asphalt-boden der Straße. Ich fühle mich ein bisschen wie auf einem Präsentierteller. Alle können uns se-hen. Und der Gedanke, dass wir gerade auf der gefährlichen Straße laufen, geht mir auch nicht aus dem Kopf. Die Sonne steht ganz oben und wärmt unser Fell.

Nach ein paar Stunden sind wir am Eingang der Stadt. Hier ist es immer noch leise. Man hört keine Autos oder sonst irgendetwas. Einzelne Fahrzeuge stehen herum. Komischerweise sind auch keine Menschen da, niemand, der schreit oder genervt ist. Und keine Hunde. Auf oder neben der Straße sprießen kleine Pfanzen. Mir fällt auf, dass alle Glasscheiben zersplittert auf dem Boden liegen, dass alles dreckig ist, einige Häuser sind zusammengebrochen. Anscheinend bin ich damals doch nicht nur aufgewacht, weil ich Hunger hatte. Ich fühle mich komisch. Wir laufen zum Hinterhof mit dem rot-weißen Metallbehälter, bei dem wir oft unser Essen holen. Der Deckel steht offen. Aber es riecht nicht so wie sonst. Wir schauen von oben hinein und sehen, dass nichts Frisches drin ist. Nur braune vergammelte Reste. Wir schauen uns gegenseitig an. Meine Mutter sagt: „Oh nein! Was ist hier los? Und wo gehen wir jetzt hin?“ Das frage ich mich auch. Mein Vater ist plötzlich verschwunden. Wir entdecken ihn auf dem Parkplatz, an Unkraut knabbernd. Mein Bruder kommt auf die Idee, zu den schwarzen Tonnen bei den großen Häuserblöcken zu gehen. Obwohl weit und breit niemand zu sehen ist, verstecken wir uns aufgrund des unguten Gefühls, das wir alle haben. Auf dem Weg sehen wir Ratten. Mein Bruder wird unruhig. Es sind zu viele.

Plötzlich macht mein Vater ein Geräusch. Wir wissen alle, dass das Gefahr bedeutet. Wir verstecken uns unter einem Busch, wo man uns im Schatten nicht gut erkennen kann. Dann sehen wir sie: Sieben Wölfe laufen über die Straße. Vermutlich auf Futtersuche, wie wir es sind. Was geht hier vor? Uns wird klar, dass hier etwas überhaupt nicht in Ordnung ist. Jetzt sind wir nicht mehr die Größten in der Stadt. Wenn Wölfe da sind, haben wir hier nicht mehr das Sagen. Wir müssen uns eine andere Strategie überlegen, um an Futter zu kommen.