„Oh, schau mal Mama, das sieht ja komisch aus, was ist das?“
„Ich weiß es nicht, mein Schatz, komm, wir müssen jetzt gehen!“
„Ich bin ein Blaufußtölpel – ihr Flachpfeifen!“, will ich der Mutter mit ihrem Sohn hinterherschreien, als mich die Verkäuferin am Hals packt und an die andere Seite des Regals setzt. Ich versuche mich noch aus Ihrer Hand zu befreien und zapple noch etwas rum, doch dann sitze ich schon auf dem Regal. Meine Beine baumeln in der Luft und ich nicke ein.
„Bwaf if denn daf?“, ich schrecke hoch, schon wieder klebt ein Kind an dem Schaufenster. Die Nasen sind plattgedrückt und die klei-nen Finger kleben an der Scheibe. Ich setze mich wieder hin.
„Thea, ich weiß es nicht. Komm wir gehen rein und fragen mal!“
Thea scheint mit der Antwort zufrieden zu sein und hopst vor ihrer Mutter hin und her. Ein paar Augenblicke später stürmt sie in den Laden. Ich schaue aus dem Fenster. Mal wieder fegt der Nachbar die Straße. Jeden Samstag um dieselbe Zeit. Auf einmal stößt jemand gegen das Regal, auf dem ich sitze. Es wackelt und ich gelange in Schieflage.
„Thea, pass doch auf!“, höre ich noch hinter mir, dann stürze ich in die Tiefe.
„Aahhh! Hilfeeee!“ Mit einem lauten „Plopp“ lande ich auf dem Boden. Ich bleibe noch einige Augenblicke liegen, dann setze ich mich hin und überlege, was ich jetzt machen soll. Ich stehe auf und laufe in Richtung Tür. Eigentlich will ich zurück ins Regal, wo auch die anderen Blaufußtölpel sitzen. Doch dann gehen gerade Thea und ihre Mutter aus dem Laden. Ich weiß, dass die Tür relativ lang braucht, um zu schließen. Ich laufe extra ein bisschen schneller und im allerletzten Moment schaffe ich es aus der Tür und jetzt ....

....stehe ich draußen. Ich biege schnell rechts ab, laufe die Straße entlang und komme zu einem Torbogen. Als ich durch diesen Bogen watschele, ist auf einmal alles grün. Nur ein riesiges Poster zerstört den Park.
„Früher war der Fisch in der Packung, heute ist die Packung im Fisch!“, steht drauf.
„Ohjeh, das hat mal wieder mit dem Umweltschutz zu tun. Ist die Welt denn immernoch nicht gerettet?“ Ich gehe weiter. Nach einer Weile taucht ein kleiner Teich vor mir auf. Am Ufer stehen einige Enten und unterhalten sich angeregt miteinander. Ich laufe auf sie zu.
„Was bist denn du?, was machst du hier, das ist unser Revier!“
„Wie wäre es denn erstmal mit einem höflichen Hallo?“
„Erst glotzen und dann auch noch motzen!“
Und als wäre das noch nicht genug: „Komm Gisela – Rückzug.“ Und damit watscheln die Enten davon. Etwas abseits von mir steht eine alte Dame.
„Hach, diese herrliche Ruhe, zum Glück sind diese Demonstranten nur in der Innenstadt. Dieser Lärm ist überhaupt nicht auszuhalten.
“Und dann schmeißt sie auch noch ein paar Brotstücke hinter den Ente her. Essen Enten sowas? Ich spaziere zurück, aus der Richtung, aus der ich gekommen bin. Schon von Weitem höre ich Gebrüll: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Die Stimmen werden lauter und lauter. Und auf einmal stehe ich mitten im Getümmel. Lauter Reporter laufen auf mich zu.
„Ein Barfußtölpel – mitten in der Innenstadt, ein Maskottchen der Bewegung. Heute sind wieder unzählige Menschen hier, um für den Klimaschutz zu protestieren. Doch heute haben sie Unterstützung geholt. Von einem Blaufußtölpel, einem tropischen Meeresvogel, von den Galapagos-Inseln.“ Es werden Fotos von mir gemacht. Ohne mich zu fragen.
„Das ist urheberrechtlich eigentlich nicht erlaubt. Müssten Sie als Reporter das nicht wissen?“ Doch der Reporter versteht mich natürlich auch nicht. Als ich am nächsten Morgen an einem Kiosk vorbeilaufe, ist auf der ersten Seite der Tageszeitung ein Foto von mir abgedruckt.
„Ein Blaufußtölpel führt die Demonstranten an!“, steht in großen Buchstaben darunter.
Da quakt es neben mir: „Schaut mal der arrogante Star – lass uns gehen, Gisela“.