Ein dunkler Schleier liegt von Beginn an über diesem symbolistisch aufgeladenen "Drame-lyrique" - so die Bezeichnung des Komponisten - ein Hauch von Tod, der dann auch wirklich kommt. Aber gerade diese dämmrige, traumhafte Atmosphäre war es wohl, die Debussy ganz besonders reizte.

Pelléas - Bernard Richter,
Melisande - Patricia Petibon
Golaud - Tassis Christoyannis
Arkel - Nicolas Testé
Yniold - Olivier Michael
Geneviève - Yvonne Naef
Doktor - Peter Harvey

Budapest Festival Orchestra
Leitung: Iván Fischer

(Aufnahme vom 9. September 2023 aus dem Nationalen Béla Bartók-Konzertsaal)

Maurice Maeterlincks Schauspiel "Pelléas et Melisande" wurde 1893 in Paris uraufgeführt, Debussy lernte es kurz darauf kennen und begann recht bald schon mit der Arbeit an der Oper. Es sollte allerdings noch knapp zehn Jahre dauern bis zur endgültigen Fertigstellung. Die öffentliche Generalprobe im April 1902 an der "Opéra-Comique" war zwar ein Desaster - vor allem wohl wegen Streitigkeiten zwischen Debussy und Maeterlinck um die Besetzung der Melisande - die Premiere zwei Tage später aber wurde von Publikum und Kritik wohlwollend aufgenommen, und das Stück wurde nach dem "Prélude à l’après-midi d’un faune" der zweite große Erfolg des Komponisten.

In Abgrenzung vor allem zu Wagner schuf Debussy eine eher zurückgenommene, ganz auf die Deklamation des Textes ausgerichtete Musik. "Es herrscht hier eine zauberisch beschwörende Sprache, deren sensible Nuancen ihre Weiterführung in der Musik und ihrem orchestralen Klangkolorit finden konnten", schrieb er dazu. "Die Personen versuchen, ganz natürlich zu singen". Und auch wenn es bei der Liebesszene zwischen Pelléas und Melisande und dem Brudermord selbstverständlich auch mal etwas ekstatischer zugeht - es ist vor allem eine gedämpfte Musik mit Pianissimo-Tendenz.

Ivan Fischer und sein von ihm vor 40 Jahren gegründetes Budapest Festival Orchestra verwandelten im September die Bühne des Béla-Bartók-Konzertsaals in Budapest komplett in einen verwunschenen Zauberwald, aus dem die Musik des Orchesters und der Stimmen gleichsam herauswuchs. Der auch selbst mit Blättern getarnte Dirigent - nicht unbedingt ein Freund des Regietheaters - zeichnete selbst für die Inszenierung verantwortlich und schuf mit einem exzellenten Sänger-Ensemble ein zwar traditionell-naturalistisches, aber zu der undurchschaubar naturhaft wuchernden Seelenpsychologie des Stückes wunderbar passendes mysteriös-magisches Szenario.

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 16.12.2023, 20:04 Uhr.