Alle Jahre wieder steht spätestens zur Weihnachtszeit landauf landab "Hänsel und Gretel" auf dem Programm - da haben’s die armen "Königskinder" als Humperdincks zweite Märchenoper schwer, sich gegenüber den populären älteren Geschwistern Gehör zu verschaffen.

Königssohn - Daniel Behle
Gänsemagd - Olga Kulchynska
Spielmann - Josef Wagner
Hexe - Doris Soffel
Holzhacker - Sam Carl
Besenbinder - Michael Pflumm
Ratsältester - Henk Poort
Wirt - Roger Smeets
Wirtstochter - Kai Rüütel
Schneider - Lucas van Lierop
Stallmagd - Eva Kroon
Tochter des Besenbinders - Anna Kemper
Zwei Torwächter - Hans Pieter Herman, Christiaan Peters
Dame - Yvonne Kok

Nieuw Amsterdam Kinderchor
Chor der Niederländischen Nationaloper
Niederländisches Philharmonisches Orchester
Leitung: Marc Albrecht

(Aufnahme vom 22. Oktober aus der Niederländischen Nationaloper)

"Werter Meister, Sie hatten auch in Berlin ihre lebenden Gänse, aber auf der anderen Seite des Vorhangs!" Worauf einer der Geschäftsführer der New Yorker Met, wo Engelbert Humperdincks "Königskinder" 1910 uraufgeführt wurden, hinweisen wollte, war nicht, dass bei der amerikanischen Premiere wirklich zwölf echte Gänse auf der Bühne zu erleben waren, sondern dass ihm zu Ohren gekommen war, dass das Stück in Berlin eine etwas laue Aufnahme erfahren hatte. Das war allerdings die Ausnahme, denn auch in Europa war die Oper bis zum 2. Weltkrieg ein Erfolg. Danach allerdings gerieten die "Königskinder" fast völlig in Vergessenheit und wurden erst in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckt.

Zurecht, denn auch hier schafft es Humperdinck, den spätromantischen Wagner-Stil und volkstümliche Einfachheit geschickt miteinander zu verbinden. Von der Handlung her ist das Märchen weniger kindgerecht als "Hänsel und Gretel" - vielleicht auch ein Grund für den geringeren Erfolg. Es gibt auch kein Happy End, obwohl die Königskinder anders als im Volkslied - wo das Wasser bekanntlich viel zu tief ist - zusammenfinden, allerdings nur, um ergreifend und tränenreich gemeinsam in den Tod zu gehen.

Vielleicht sind Humperdincks "Königskinder" nicht die "wertvollste Oper der nachwagnerschen Zeit", wie die New Yorker Uraufführungskritik jubelte, aber sie dürften dennoch gerne öfters auf unseren Bühnen zu hören und zu sehen sein. In Amsterdam zeigte Marc Albrecht - der langjährige Leiter der Niederländischen Nationaloper, der mit diesem Stück an seine ehemalige Wirkungsstätte zurückkehrte - mit einem vorzüglichen Solisten-Ensemble, dass es sich lohnt.

Anschließend:
Brahms: 1. Violinsonate G-Dur op. 78 (Alina Ibragimova / Cédric Tiberghien, Klavier)
Haydn: Sinfonie Nr. 101 D-Dur (Orchestra della Svizzera Italiana / Howard Shelley)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 17.12.2022, 20:04 Uhr.