Zu Beginn war er der Konkurrent Rossinis, dann stand er im Schatten von Donizetti und Bellini, und schließlich kam Verdi. Und so blieb nicht viel in Erinnerung von Saverio Mercadante, dessen Opern zu seinen Lebzeiten viel gespielt wurden, dann komplett in Vergessenheit gerieten und aktuell eine kleine Renaissance erfahren.

Elaisa - Roberta Mantegna
Viscardo - Jean-François Borras
Bianca - Teresa Iervolino
Manfredo - German E. Alcántara
Isaura - Ivana Rusko
Brunoro - John Heuzenroeder

WDR-Rundfunkchor
WDR-Funkhausorchester
Leitung: Carlo Montanaro

(Aufnahme vom 3. Juni 2023 aus dem Konzerthaus Dortmund)

Der 1795 geborene Saverio Mercadante war vornehmlich in Neapel tätig, wo er ab 1840 Direktor des Konservatoriums war und auch 1870 starb. Etwa 60 Opern hat er geschrieben, die erfolgreichsten davon entstanden in den 1830er Jahren, "Il giuramento" wurde 1837 an der Mailänder Scala uraufgeführt. Zugrunde liegt diesem "Schwur" ein Drama von Victor Hugo, womit Mercadante voll im Trend der Zeit lag - die gleiche Geschichte sollte später auch die Vorlage liefern für Amilcare Ponchiellis deutlich bekanntere "La Gioconda".

Erzählt wird - wieder einmal könnte man mit Blick aufs 19. Jahrhundert sagen - von einer opferbereiten Frau, die ihrem Schwur treu bleibt, der gesuchten und gefundenen Retterin ihres Vaters ewig dankbar zu sein, auch als sich herausstellt, dass beide den gleichen Mann lieben, und dass die Angelegenheit für mindestens eine von beiden ein tödliches Ende nehmen wird. Die Handlung ist reichlich unübersichtlich und setzt viel nicht thematisierte Vorgeschichte voraus - das Spannende aber ist die Musik.

In Abgrenzung zu Donizetti und Bellini war Mercadante in den 1830er Jahren bestrebt, die "Belcanto-Oper" zu reformieren. "Verbot für triviale Kabaletten, Austreibung des Crescendos, pflegliche Behandlung der dramatischen Seite", forderte er unter anderem. Und in "Il Giuramento" ist viel davon zu spüren: es gibt wenig sinnfreie Koloraturen, ergreifende Kantilenen und Melodien, die dramaturgisch passen - was ja bei den Kollegen nicht immer der Fall ist - geschickt gesetzte, effektvolle Chöre, die den Einfluss der französischen "Grand Opéra" verraten, und auch betörende instrumentale Abschnitte wie das große Cello-Solo der Gruft-Szene im zweiten Akt.

Um es auf den Punkt zu bringen: wohl selten ist ein dermaßen krudes und wirres Libretto mit einer so ausgezeichneten Musik versehen worden, wovon man sich in der verdienstvollen, wenn auch deutlich gekürzten, konzertanten Aufführung beim "Klangvokal Musikfestival Dortmund" überzeugen konnte.

Anschließend:
Gounod: Six romances sans paroles (Peter Vanhove, Klavier)
Haydn: Sinfonie Nr. 59 A-Dur (Il Giardino Armonico / Giovanni Antonini)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 18.11.2023, 20:04 Uhr.