Selten sind Macht und Ohnmacht und das Leid der Herrschenden wie der Untergebenen so schonungslos und realistisch dargestellt worden wie in Mussorgskys "Boris Godunow". Und die Vision einer russischen Nationaloper ließ den Komponisten zu ungewohnten und für die Zeitgenossen befremdlichen Mitteln greifen.

Boris Godunow - Ildar Abdrazakov
Pimen - Ain Anger
Schuiski - Norbert Ernst
Grigori - Dmitry Golovnin
Fjodor - Lilly Jørstad
Xenia - Anna Denisova
Amme - Agnieszka Rehlis
Schtschelkalow - Alexey Markov
Warlaam - Stanislav Trofimov
Missail - Alexander Kravets
Gottesnarr - Yaroslav Abaimov
Wirtin - Maria Barakova
Mitjuch - Roman Astakhov
Polizeioffizier - Oleg Budaratsky

Chor und Orchester der Scala
Leitung: Riccardo Chailly

(Aufnahme vom 7. Dezember 2022 aus der Scala)

Das Libretto zur Geschichte vom Zaren Boris - dem nachgesagt wurde, den Thronfolger ermordet zu haben, um selbst an die Herrschaft zu gelangen - schrieb sich Mussorgsky selbst nach dem gleichnamigen Theaterstück von Alexander Puschkin. Aber die Fertigstellung und der Weg zur ersten Aufführung der einzigen vollendeten Oper des Komponisten gestaltete sich schwierig. "Ungeschickte Stimmführung, schroffe Harmonien und Modulationen, fehlerhafter Kontrapunkt, dürftige Instrumentation und allgemeine Schwäche in technischer Hinsicht!"

Das war nicht das Urteil eines bösartigen Kritikers, sondern von Mussorgskys Freund und zeitweiligem Zimmergenossen Nikolai Rimski-Korsakow.
Und nachdem die 1869 vorgelegte erste Version des "Boris" vom Petersburger Mariinski-Theater abgelehnt worden war, schuf der Komponist 1872 eine stark veränderte und 1874 uraufgeführte zweite Fassung, die später gleich zweimal von Rimski-Korsakow "verbessert und korrigiert" wurde. Dabei sind es vermutlich gerade die zunächst nicht verstandenen vermeintlichen Schwächen, die die ganz besondere Qualität und Besonderheit der Oper von Beginn an ausmachten.

Ildar Abdrazakov

In Mailand kam im Dezember die "Urfassung" von 1869 auf die Bühne, die zur traditionellen Saisoneröffnung an der Scala zuletzt 1979 von Claudio Abbado aufs Programm gesetzt worden war. Seinerzeit mit dabei war ein junger Musiker, den die Faszination für das Werk nicht mehr losließ: der heutige Musikdirektor Riccardo Chailly. Der für die Titelrolle mit dem Bassisten Ildar Abdrazakov einen der zurzeit weltbesten Interpreten des "Boris" gewinnen konnte - an der Spitze eines bis in die kleinste Partie durchweg ausgezeichneten Sänger-Ensembles.

Anschließend:
Haydn: Andante mit Variationen f-Moll (Alicia de Larrocha, Klavier)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 18.03.2023, 20:04 Uhr.