Opernbühne Opernrarität aus Pesaro: Rossinis "Eduardo e Cristina"
Sendetermine
Beim Festival in Rossinis Heimatstadt steht alljährlich auch Unbekanntes und Entdeckenswertes auf dem Programm. Diese Saison war es "Eduardo e Cristina", ein vom Meister aus Verlegenheit eiligst zusammengeschustertes Flickwerk, seinerzeit nichtsdestotrotz aber überaus erfolgreich - zurecht, wie diesen Sommer in Pesaro zu erleben war.
Eduardo - Daniela Barcellona
Cristina - Anastasia Bartoli
Carlo - Enea Scala
Giacomo - Grigory Shkarupa
Atlei - Matteo Roma
Coro Ventidio Basso
Nationales Sinfonieorchester der RAI
Leitung: Jader Bignamini
(Aufnahme vom 11. August 2023 aus der Vitrifrigo Arena)
Im Frühjahr 1819 musste es mal wieder schnell gehen bei Rossini. Ende März war sein "Ermione" in Neapel über die Bühne gegangen, Anfang April sollte es schon in Venedig weitergehen mit einem neuen Stück. Das war dann doch zu viel verlangt, und der Komponist griff ausgiebig auf schon vorhandenes eigenes Material zurück - eine damals durchaus übliche Praxis. Etwa zwei Drittel dieses "Pasticcios" sind Remakes aus älteren Opern, vornehmlich geschrieben für das von Venedig aus gesehen 700 km südlich gelegene Neapel. Das war weit genug entfernt, um sicher zu gehen, dass die Musik unbekannt war - auch wenn Stendhal in seiner Rossini-Biographie die hübsche, aber wohl nur gut erfundene Anekdote zum Besten gibt, dass ein neapolitanischer Kaufmann bei der Premiere schon alles mitsingen konnte.
Erzählt wird in "Eduardo e Cristina" die Geschichte der schwedischen Königstochter Cristina, die heimlich nicht nur ein Verhältnis, sondern zudem ein Kind mit dem Feldherrn Eduardo hat. Auch nach der Entdeckung der frevelhaften Liaison ist sie nicht bereit, ihrer Liebe abzuschwören und sich einem anderen hinzugeben, selbst wenn sie dadurch das Leben ihres Sohnes retten könnte. Der angebetete Eduardo ist aber bei der Verteidigung der bedrohten Stadt dann doch zu wichtig: der König hat ein Einsehen, vergibt der Tochter und ihrem Geliebten und alles kommt zu einem guten Ende.
Auch wenn die Oper aufgrund ihrer Machart etwas in Verruf gekommen ist: bei der Premiere 1819 war sie ein riesiger Erfolg. "Es war ein Triumph wie kein anderer in der Geschichte unserer Musikbühnen", war nach der Uraufführung zu lesen, und das Stück wurde in den nächsten zwanzig Jahren ausgiebig in ganz Europa nachgespielt. Dann verschwand es allerdings komplett und wurde erst Ende der 1990er Jahre neu entdeckt. In Pesaro war "Eduardo e Cristina" nach knapp 200 Jahren erstmals wieder in Italien zu hören. In einer großartig besetzten, auch optisch beeindruckenden Vorstellung auf der imposanten Breitwandbühne der Vitrifrigo Arena - eine gelungene Komplettierung der Reihe aller 38 Opern des Komponisten beim Rossini Festival.