"Meine Stunden mit Leo" heißt ein neuer Film, der etwas irreführend als Komödie beworben wird. Die pensionierte Lehrerin Nancy Stokes hat 30 Jahre lang schlechten Sex in ihrer Ehe erlitten. Als Witwe will sie das ändern und engagiert den Callboy Leo Grande. Überrascht stellt sie fest, dass Leo nicht nur ein Experte für körperliche Liebe ist, sondern auch ein spannender Gesprächspartner. Emma Thompson und Daryl McCormack liefern in diesem Kammerspiel eine Glanzleistung ab.
Die vier Musiker des Julia-Fischer-Quartetts spielen allesamt auf höchstem Niveau, und auch wenn Julia Fischer die erste Geige innehat, lässt sie ihren Kollegen genügend Raum, um sich zu entfalten. Die diesjährige Fokus-Künstlerin des Rheingau-Musik-Festivals stellte unter anderem eine Komposition von Andrei Rubzow "Tree of Ténéré" vor über einen einsamen Baum in der Sahara. hr2-Kritiker Meinolf Bunsmann meinte, die Wüstenluft flirren zu hören.
Dass Banken Geld auch in Kunst anlegen, scheint normal. Die Deutsche Zentralbank hat das auch getan - und eine exklusive Sammlung an Nachkriegsmalerei zusammengetragen. Diese ist in Teilen erstmals auch für normal Sterbliche zu sehen, am Schaumainkai in Frankfurt - in einem Haus, das der Uni gehört und das immer wieder überraschend gute Ausstellungen zeigt.
In seinen "Heimatfilmen" hat er die Bayern durch den Kakao gezogen. In seinem ersten Animationsfilm "Willkommen in Siegheilkirchen" nimmt er sich nun die Österreicher vor: In einem erzkatholischen Winkel wächst in den 1960er Jahren Rotzbub als Sohn von Wirtsleuten auf. Sein besonderes Talent ist das Zeichnen, womit er sich nicht nur jede Menge Ärger einhandelt, sondern auch seine erste Liebe erobert.
Es ist nicht leicht, die Power von Freddie Mercury und seiner "Queen" heute auf die Bühne zu bringen. Der Versuch, eine Weltraum-Rahmenhandlung inklusive Shauvi-Kalauern zur Einbettung von 24 (!) LIedern zu benutzen, hat echte Fans zum Jubeln bewogen. Unser Mann in Reihe 16 fand's eher so lala, war am Ende aber doch mitgerissen.
Das "Frankfurt LAB" ist in der deutschen Kulturlandschaft nahezu einzigartig; die meiste Arbeit findet allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Hier haben sich fünf Frankfurter Kulturinstitutionen zusammengetan, um Tanz, Choreografie, Performance, Theater und Musik in einen produktiven Austausch zu bringen. Am vergangenen Wochenende gab das "Frankfurt LAB" dafür einen Einblick in seine Arbeit.
Zur Eröffnung der Bad Hersfelder Festspiele hat Intendant Joern Hinkel den "Glöckner von Notre-Dame" auf die Bühne gebracht. Jeder Satz, der von den Schauspielern gesprochen wird, steht auch im Roman von Victor Hugo. Und eine neue Lichttechnik verwandelt die Stiftsruine in Bad Hersfeld in die Kathedrale. Sie erlaubt sogar, dass die Wände wackeln und Teufelsfratzen die Zuschauer anstarren.
Ein Orchester voll junger Leute, zwei enorm kreative und jung gebliebene Pianistinnen und dazu ein Dirigent mit Esprit und mitreissendem Temperament - das Rezept für einen Abend, der an Rhythmik und Spielfreude nicht zu überbieten ist. Das kolumbianische Jugendorchester, die Schwestern Labèque und der doppelte Heimspieler Andrés Orozco-Estrada - Bravo!
Der Film "Wie im echten Leben" beruht auf dem Buch der Journalistin Florence Aubenas "Putze: mein Leben im Dreck". Darin schildert Aubenas die Plackerei von Putzfrauen, die jeden Job annehmen müssen. Juliette Binoche hat frei nach dieser Vorlage einen Film gedreht mit Laienschauspielerinnen, die auch im echten Leben ihr Geld mit Putzen verdienen.
Quasi über Nacht wurde sie berühmt, ihre Erzählungen sind dicht und präzise, ihre Poetikdozentur gab jüngst tiefe Einblicke in ihr Schreiben. Wenn nun Judith Hermann gemeinsam mit dem Ensemble Modern in einer Anwaltskanzlei im 27. Stock ein Lesekonzert mit Aussicht zelebriert, ergibt sich eine wunderbare Symbiose aus Gleichklang und Spannung - bezaubernd und bereichernd, sagt unsere Frau im Turm.
Festival im Zeichen des Krieges: Alles, was 2022 in den oberen Etagen Frankfurter Hochhäuser gelesen wird, bezieht sich irgendwie auf die Ukraine. Schon am Anfang ist klar, dass selbst Hochkaräter wie Tanja Maljartschuk, Lea Ypi, Gerd Koenen und Viktor Jerofejew nicht so funkeln können wie gewohnt - Betroffenheit allenthalben und gespannte Vorsicht bei vielen Äußerungen.
Luigi Dallapiccola hat seine Oper "Ulisse" - italienisch für "Odysseus" - mit der Zwölftontechnik komponiert. Aber das sollte niemanden abhalten, sich "Ulisse" an der Oper Frankfurt anzuschauen, denn die Musik ist trotzdem eingängig. Jede Station auf Odysseus' Reise hat ihre eigene Klangfarbe, und auf jeder Station wird Odysseus gefragt, wer er eigentlich sei. Das Bild, das sich so zusammensetzt, gilt für uns alle.
Ein tragisches Beziehungsspiel, von Frankfurts größtem Sohn als Roman verfasst, kommt in einer minimalistischen Labor-Situation auf die große Bühne. Das "Wer mit wem", das Defilée der Auswege, am Ende das Tragische - Lisa Nielebock inszeniert den Klassiker kompakt, klug, gefühlvoll und reflektiert.
Filme über Elvis Presley gibt es zu Hunderten. Braucht man da noch einen Elvis-Film von Baz Luhrmann? Unbedingt, meint hr2-Kritikerin Daniella Baumeister. Das Enfant terrible aus Australien ist ein Meister der Überwältigung mit Farben und Klängen. Dazu passt als Thema Elvis - gespielt von Austin Butler -, der das prüde Amerika der 50er Jahre mit seiner Musik durchschüttelte.
Das Stück "The Totalitarians" von Peter Sinn Nachtrieb stammt aus dem Jahr 2014. Das muss man wissen, um die Aufführung am English Theatre in Frankfurt nicht für eine Satire auf Donald Trump zu halten. Am Beispiel der Politikerin Penny Easter, die sich auf ein Wahlamt im US-Bundesstaat Nebraska bewirbt, seziert der Autor die Mechanismen des Populismus.
Ein gewöhnlicher Angestellter besucht ein Wachsfigurenkabinett und steht plötzlich dem Abbild seiner selbst gegenüber. Kein Zweifel: Er muss berühmt sein! Das Stück ICHICHICH von Marc Becker für einen Schauspieler im Stadttheater Gießen ist eine gelungene Parabel auf die Selbstdarstellung in den sozialen Medien. Bis hin zur Erkenntnis, die wahrhaft Berühmte irgendwann überfällt: Es gibt nichts Schlimmeres als Berühmt-Sein!
Nachts, wenn wir träumen, sind Logik und Naturgesetze aufgehoben. Kein Wunder, dass das Traumgeschehen Künstler schon immer angezogen hat. Das Staatstheater Wiesbaden hat den Liederabend "What dreams are made of" auf die Bühne gebracht. hr2-Kritikerin Esther Boldt ist der Einladung zum Träumen gefolgt.
Das Thema Liebe ist vom Kino in allen Facetten auserzählt worden - sollte man denken. Und dann kommt Nicolette Krebitz mit "AEIOU - Das schnelle Alphabet der Liebe" und gewinnt dem alten Thema doch noch nie gesehene Bilder ab. Eine Frau verliebt sich in den Dieb ihrer Handtasche. Und plötzlich wird es unwichtig, dass sie mehr als 40 Jahre älter ist.
In einer dreiteiligen Gesprächsreihe fragte das Städel: "Wie politisch ist die Kunst?" Kunst kann natürlich sehr politisch sein, erfordert dann aber eine Kenntnis des Kontexts, damit sie wirken soll. Geht der politische Kontext mit der Zeit verloren - wie bei Géricaults "Das Floß der Medusa" - schwebt sie in Gefahr, nur noch als ästhetisches Ereignis wahrgenommen zu werden.
Das runde Jubiläum wird gefeiert wie noch nie: Autobahn als Partyzone, überall Ausstellungen und Performances. Auch im Stadion der Stadt an der Lahn: War das jetzt ein Musical, eine Revue oder ein irres Geschichtsspektakel mit Blasmusik? Auf jeden Fall hat dieses bunte und wilde "Rosenwunder Premium Reloaded" allen Spaß gemacht, dem Publikum und unserer Kritikerin sowieso!