"Meine VI. wird Rätsel aufgeben, an die sich nur eine Generation heranwagen darf, die meine ersten fünf in sich aufgenommen und verdaut hat.“ Ob das heute schon oder längst so ist, was Gustav Mahler im Herbst 1904 an seinen Freund Richard Specht geschrieben hat, mag bezweifelt werden oder stimmen. Die wiederholte Prüfung lohnt in jedem Fall.

Gustav Mahler (1860-1911): 6. Sinfonie (1903/04)
Fassung für Klavier (vierhändig) von Alexander von Zemlinsky (1871-1942)
Klavierduo Silvia Zenker & Evelinde Trenker

(Aufnahme: April 1991, Historische Reitbahn, Arolsen durch Musikproduktion Darbringhaus und Grimm)

Herdenglocken und Hammerschläge finden sich in Mahlers 6. Sinfonie, die er selbst auch die "Tragische“ nannte, ebenso wie Euphorie und Depression. Manche sahen und sehen in dieser sinfonisch gebauten Welt des Komponisten und Dirigenten eine frühe Vorahnung des Ersten Weltkriegs und der großen Revolutionen. Allesamt rückblickende Interpretationen, denn Mahler selbst hat keine außermusikalischen Ideen zu seiner Sechsten geäußert. Im Gegenteil: "Ich muss“, schreibt er seiner Frau Alma in einem Brief, „consequent alle programmatischen Ausdeutungen ablehnen.“ So erhalten sich das oder die Rätsel der Sinfonie bis heute und wohl darüber hinaus. Immerhin war Mahler von seiner Komposition überzeugt. An den Dirigenten Bruno Walter schrieb er: "Meine VI. ist fertig. Ich glaube, ich 'habe gekonnt‘! Tausend Basta!“ Und deren Uraufführung am 27. Mai 1906 in Essen dirigierte er auch selbst. Im selben Jahr verfasste Alexander von Zemlinsky die vierhändige Klavierfassung der Sechsten. Der Bearbeiter und der Original-Komponist haben diese Version wohl gemeinsam im Haus Arnold Schönbergs gespielt. Die spätere öffentliche Aufführung in dem von Schönberg in Wien gegründeten "Verein für musikalische Privataufführungen“ besorgten die Pianisten Eduard Steuermann und Ernst Bachrich.

Sendung: hr2-kultur, "Konzertsaal", 26.01.2023, 20:04 Uhr.