Die mächtigste Parabel für die Selbstzerstörungskräfte des Kapitalismus stammt aus dem Revolutionsjahr 1848: Mit dem Untergang der Götter geht nicht nur die Burg Walhall in Flammen auf, sondern auch der Mythos von der unbegrenzten Akkumulation - nur um das ewige Spiel um Macht und Besitz erneut beginnen zu lassen.

Götterdämmerung

Und wie es sich für den fulminanten Abschluss des legendärsten Opernzyklus’ der Musikgeschichte gehört, geht es eben um nicht weniger als die ganze Welt: In diesem Sinne ist die Götterdämmerung zum geflügelten Wort für den apokalyptischen Untergang von Welten und ihren Ordnungssystemen geworden.

Siegfried, der strahlende Held, erliegt in der Götterdämmerung dem Fluch des Rings. Dass in der schändlichen Intrige um Siegfried und Brünhilde mithilfe der Tarnkappe und der folgenden schrecklichen Gewaltspirale mehr steckt als ein Individualdrama, sondern Richard Wagner vielmehr sein psychologisches Leitmotivgeflecht als große Parabel auf die Wirtschaftsordnung der industrialisierten Gesellschaft engführt, hat Deutungen dieses Werks zu großen politischen Lesarten angestiftet.

...Jahre sind vergangen. Siegfried, von Alberichs Bruder Mime großgezogen und in Unwissenheit darüber, dass Wotan ihn dazu bestimmt hat, die Welt vom Fluch des Ringes zu erlösen, erschlägt den Drachen Fafner. Siegfried nimmt den Ring an sich als Geschenk für seine Geliebte Brünnhilde, Wotans Tochter.

Hagen, Sohn Alberichs, giert selbst nach dem Ring und betäubt Siegfried mit dem Zaubertrank des Vergessens: So verliebt sich Siegfried in Gutrune und nimmt Brünnhilde den Ring wieder ab. Entsetzt verbündet sich Brünnhilde mit Hagen und verrät ihm Siegfrieds einzige verwundbare Stelle. Hagen tötet Siegfried durch einen Speerstoß zwischen die Schulterblätter. Die reuige Brünnhilde, wieder im Besitz des Ringes, folgt Siegfried in den Tod. Ihr Liebesopfer beendet den Fluch: Der Rhein tritt über seine Ufer und die Rheintöchter holen sich das vom Fluch gereinigte Gold zurück. Die Götterburg Walhall brennt. Das Ende der Götter ist besiegelt.

Wagners dystopische Parabel über die kapitalistische Weltordnung stammt aus dem Revolutionsjahr 1848. Es geht um nicht weniger als die ganze Welt: Um den Kampf um Besitz und Macht im Konflikt zwischen Freiheit und Gesetz. In diesem Sinne ist die Götterdämmerung zum geflügelten Wort für den apokalyptischen Untergang von Welten und ihren Ordnungssystemen geworden.

Mit:

Siegfried - Daniel Brenna
Brünnhilde - Kelly Cae Hogan
Gunther - Hansung Yoo
Hagen - Albert Pesendorfer
Alberich - Thomas Gazheli
Gutrune - Margrethe Fredheim
Waltraute - Ulrike Schneider
1. Norn / Floßhilde - Marta Herman
2. Norn - Ilseyar Khayrullova
3. Norn - Doris Neidig
Wellgunde - Vero Miller
Woglinde - Clara Soyoung Lee

Opernchor, Extrachor und Staatsorchester Kassel
Leitung: Francesco Angelico

(Übertragung aus dem Staatstheater)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 10.06.2023, 15:30 Uhr.