Ob im Märchen, im Roman oder auf der Opernbühne: ein Leben ohne Schatten gestaltet sich schwierig. Insbesondere wenn der fehlende Begleiter symbolistisch aufgeladen weit mehr darstellt als ein rein optisches Manko.

Die Kaiserin - Tamara Wilson
Barak - Terje Stensvold
Seine Frau - Sabine Hogrefe
Die Amme - Tanja Ariane Baumgartner
Der Kaiser - Burkhard Fritz
Der Einäugige - Franz Mayer
Der Einarmige - Björn Bürger
Der Bucklige - Hans-Jürgen Lazar
Der Geisterbote - Dietrich Volle
Erscheinung des Jünglings - Michael Porter
Hüter des Tempels / Stimme des Falken - Brenda Rae
Stimme von oben - Katharina Magiera

Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Leitung: Sebastian Weigle

(Aufnahme vom Oktober 2014 aus der Frankfurter Oper)

Mit der 1919 in Wien uraufgeführten "Frau ohne Schatten" legten Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal ihr vermutlich komplexestes und ambitioniertestes Werk vor. Der Dichter sprach von einer "phantastischen Oper", für den Komponisten war es die "letzte romantische Oper" überhaupt, mit einem Riesenorchester mit teils entlegenem Instrumentarium wie Glasharmonika und chinesischen Gongs und einem märchenhaften Bühnenzauber, der fast schon nach einer cineastischen Umsetzung verlangt.

Drei Welten stoßen aufeinander: das Geisterreich, die sterblichen Menschen und irgendwo dazwischen angesiedelt die Sphäre von Kaiserin und Kaiser. Und der fehlende Schatten der ursprünglich der Geisterwelt zugehörenden Kaiserin setzt die eigentliche Handlung in Gang, denn ohne ihn wird der Kaiser in drei Tagen versteinern - wieso eigentlich, gehört zu den nicht wenigen Rätseln der Oper.

Der Schatten - der ansonsten ja gerne auch musikalisch mit dem Reich der Toten assoziiert wird - steht dabei für Fruchtbarkeit, für die noch ungeborenen Nachkommen und am Ende für Menschlichkeit überhaupt. Nur die Weigerung der Kaiserin, zur Erlangung ihres Schattens menschliches Leid in Kauf zu nehmen, führt schließlich dazu, dass sie einen Schatten erhält, und damit auch das Versprechen von Kindern - die am Ende auf der Bühne zwar nicht zu sehen, aber schon zu hören sind.

Licht und hell wird es in der Oper nur mit und durch den Schatten: als Ergebnis einer Verwandlung durch Mitleid und Liebe, durch menschliche Wärme und Zuwendung. Oder - um es mit den schöneren Worten von Hofmannsthal zu sagen: "Wo immer du dich birgst im Dunkel, in meinem Herzen ist ein Licht dich zu enthüllen".

Anschließend:
Mendelssohn: 2. Klavierquartett f-Moll op. 2 (Domus)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 27.05.2023, 20:04 Uhr.