Die Liebe in Zeiten des religiösen Fanatismus hat es schwer, insbesondere wenn die Liebe zu Gott wichtiger wird als die Liebe zu den Menschen. Und so lässt sich am Ende das zweifelhafte Glück nur im Märtyrertod finden.

Pauline - Roberta Mantegna
Polyeucte - John Osborn
Sévère - Mattia Olivieri
Félix - David Steffens
Néarque - Patrick Kabongo
Callisthènes - Nicolò Donini

Arnold Schoenberg Chor
ORF Radio-Sinfonieorchester
Leitung: Jérémie Rhorer

(Aufnahme vom 18. September 2023 aus dem Theater an der Wien)

"Die Zensur macht ein mürrisches Gesicht und sagt, es sei zu religiös." Gaetano Donizetti hatte 1838 während der Komposition seiner neuen Oper für das Teatro San Carlo in Neapel zurecht Bedenken wegen des Sujets, die endgültige Absage kam aber dann erst recht kurzfristig vom König höchstselbst. Der Komponist war äußerst verärgert und reiste ab nach Paris. Mit der dortigen Oper war er sowieso schon in Verhandlungen und so wurde aus dem für Neapel geschriebenen dreiaktigen italienischen "Poliuto" eine vieraktige französische Grand opéra. Die Anpassung des Textbuches übernahm niemand Geringeres als Star-Librettist Eugène Scribe, das Werk hieß jetzt "Les martyrs" und wurde am 10. April 1840 an der "Opéra" uraufgeführt. Es folgten über 20 Wiederholungen - ein passabler Erfolg.

Erzählt wird in "Les martyrs" die während der römischen Christenverfolgung in Armenien spielende Geschichte einer Frau zwischen ihrem ehemaligen, aber totgeglaubten Geliebten - einem römischen Feldherrn - und ihrem jetzigen Mann, der gerade zum Christentum übergetreten ist und dafür mit dem Tod bestraft werden soll. Darüber zu entscheiden hat ihr Vater - der römische Statthalter in Armenien - und eben der besagte ehemalige Geliebte. Reichlich Stoff also für opernhafte Verwicklungen - der Glaube aber bleibt schließlich unbeirrt und es nimmt nicht nur für den Mann ein tödliches Ende.

Im Theater an der Wien verband der polnische Regisseur Cezary Tomaszewski die eigentlich im dritten nachchristlichen Jahrhundert spielende Handlung mit dem türkischen Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915 und verlegte das Ganze zudem in eine grellbunt-queere Zukunft mit einigermaßen albernen Kostümen. Sinn machte das nur selten, teilweise konterkarierte der klamaukige Firlefanz mit seinem bedenklichen Ablenkungspotential sogar die Musik. Und die hat Einiges zu bieten: neben den wie immer bei Donizetti wunderbar ausgesponnenen Kantilenen fein ausgedachte und effektvolle Chöre sowie am Ende einen großangelegten, sich immer wieder neu immens steigernden Märtyrertod. Sehenswert ist die Aufführung also nur sehr bedingt - hörenswert aber ist das selten gegebene Stück auf jeden Fall.

Anschließend:
Leclair: Triosonate h-Moll op. 13 Nr. 2 (Les Talens Lyriques / Christophe Rousset)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 02.03.2024, 20:04 Uhr.