In Bregenz hat es eine gewisse Tradition, den Opernhits auf der Seebühne Unbekannteres im Festspielhaus gegenüberzustellen: diesmal war es Umberto Giordanos Läuterungsdrama "Siberia". Eine lohnende Wiederentdeckung.

Stephana - Ambur Braid
Vassili - Alexander Mikhailov
Gleby - Scott Hendricks
Nikona - Fredrika Brillembourg
Die alte Frau - Clarry Bartha
Fürst Alexis - Omer Kobiljak
Ivan / Der Kosak - Manuel Günther
Bankier Miskinsky / Der Invalide - Michael Mrosek
Walinoff / Der Gouverneur - Unnsteinn Árnason
Der Hauptmann / Der Aufseher - Stanislav Vorobyov

Prager Philharmonischer Chor
Wiener Symphoniker
Leitung: Valentin Uryupin

(Aufnahme vom 21. Juli 2022 aus dem Festspielhaus)

Nach seinen beiden einigermaßen bekannten Opern "Andrea Chénier" und "Fedora" von 1896 und 1898 war dem Komponisten Giordano kein weiteres Erfolgsstück mehr beschieden. Von den zahlreichen Bühnenwerken danach kennt man heute praktisch nichts mehr. "Siberia" wurde 1903 an der Scala uraufgeführt, zunächst recht erfolgreich, dann aber im Laufe des 20. Jahrhunderts komplett vergessen.

Die Oper erzählt die tragisch endende Liebesgeschichte zwischen der Edel-Kurtisane Stephana und dem Soldaten Vassili, deren Glück in einem sibirischen Straflager sein tödliches Ende findet. Der Ort der Handlung hat den Komponisten zu einigen Anklängen an die Gesänge der russisch-orthodoxen Liturgie inspiriert, Volksliedhaftes wie das "Lied der Wolgaschlepper" kommt auch vor, aber immer nur grundierend und am Rande, und gelegentlich auch in bewusstem, effektvollem Kontrast zu verliebt-schwelgerischen Melodien à la Puccini - wir sind aufs Ganze gesehen denn doch im leicht religiös aufgeladenen italienischen Verismo zuhause. Die lokale Färbung ist zwar reizvoll, aber letztendlich nebensächlich - das Stück könnte eigentlich überall spielen. "Die Liebe und der Schmerz besitzen keine Nationalität", sagt Umberto Giordano, und wie recht hat er damit.

In Bregenz brillierte als leidenschaftlich-berührende Stephana die kanadische Sopranistin Amur Braid - in Hessen auch bekannt als Ensemblemitglied der Frankfurter Oper -, Alexander Mikhailov gab einen höhenbewährten italienischen Tenor-Liebhaber, und Scott Hendricks überzeugte als leicht derber wie schmeichelnder Zuhälter Gelby. Eine Aufführung, die Lust macht auf mehr Giordano, und vielleicht wird die Oper "Siberia" - die als Koproduktion mit Bregenz nächstes Jahr auch in Bonn zu erleben sein wird - in Zukunft wieder öfters zu hören sein. Verdient hätte sie es.

Anschließend:
Schumann: Streichquartett A-Dur op. 41 Nr. 3 (Leipziger Streichquartett)
Haydn: Sinfonie Nr. 57 D-Dur (Heidelberger Sinfoniker / Thomas Fey)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 22.10.2022, 20:04 Uhr.