Besson/Sternal/Burgwinkel Trio
2018 hatten wir die französische Trompeterin Airelle Besson schon einmal eingeladen. Weil sie wegen ihrer Schwangerschaft zuhause bleiben musste, sprang damals der Trompeter Frederik Köster ein und spielte Musik aus seinen Formationen mit Sebastian Sternal und Jonas Burgwinkel. Nun wagen wir einen neuen Anlauf, denn Besson/Sternal/Burgwinkel haben im November 2024 mit „Surprise!“ ihr erstes Album veröffentlicht und das trägt seinen Namen zu Recht.
Leichtfüßige, verspielte Kompositionen von Airelle Besson laden ein zum gemeinsamen Erkunden der musikalischen Möglichkeiten, die aus dem Aufeinanderhören und -reagieren entstehen. Die Musik der Trompeterin weist dabei eine klar eigene Handschrift auf, mit der sie selbst wenige Töne in vielsagende Botschaften verwandeln kann. Die gebürtige Pariserin gehört zu einer Generation französischer Jazzmusiker*innen, die versucht, Grenzen zu überschreiten und dafür auch Pop- und Rockelemente verarbeitet. „Dennoch ist und bleibt das Jazz“, erklärt Besson, „denn wir improvisieren viel – und Improvisation ist für mich so etwas wie das Leben der Musik!“
Einige Jahre lang war Besson außerdem Mitglied im renommierten „Orchestre National de Jazz“, arbeitete in verschiedenen Tanzprojekten, außerdem mit Carla Bley, Charlie Haden oder Dave Liebman. Und die vielfach preisgekrönte Trompeterin mit dem weichen und lyrischen Ton kann viel mehr: Nach ihrem Jazz-Studium am Pariser Konservatorium ließ sie sich etwa vier Jahre lang zur Dirigentin ausbilden.
In Frankfurt kommt es nun also zu einem der hier zu Lande seltenen Konzerte ihres Trios mit Sebastian Sternal und Jonas Burgwinkel. Kennengelernt haben sich die drei vor gut zehn Jahren in der Band des Bassisten Ricardo del Fra. Ein erstes Trio-Konzert funktionierte dann derart gut, dass man beschloss, weiter zusammenzuarbeiten, und zwar ganz bewusst ohne Bass. Für Schlagzeug und Piano ergibt das „untenrum viel Platz, den man sehr kreativ nutzen kann“, freut sich Jonas Burgwinkel, „und das bringt dem Trio mehr Leichtigkeit und Flexibilität.“
Burgwinkel zählt ohne Zweifel zu den kreativsten und gefragtesten Schlagzeugern der Szene. Ob im Pablo Held Trio, in Bands mit Hayden Chisholm, Kit Downes oder in den eigenen Projekten: Überall fasziniert der Mittvierziger durch seine leicht und federnd wirkende und doch technisch so anspruchsvolle und aufregende Art, das Schlagzeug zum Klingen zu bringen.
Besonders gern und häufig arbeitet Jonas Burgwinkel mit Pianist Sebastian Sternal zusammen. Vor einigen Jahren veröffentlichte er gemeinsam mit ihm und dem amerikanischen Bassisten Larry Grenadier sein Aufsehen erregendes Album „Home“. Sternal, der in Köln und Paris studierte und heute als Professor für Jazz-Klavier in Mainz lehrt, ist ein Pianist mit einer reichen Palette an Klangfarben, stilistischen Möglichkeiten und musikalischen Visionen, wie man beim Deutschen Jazzfestival zuletzt 2024 im Konzert des hr-Jazzensembles hören konnte.
Im Trio Besson/Sternal/Burgwinkel treffen drei starke und gleichberechtigte Individualist*innen aufeinander, die sich am liebsten gegenseitig überraschen und ihr Publikum natürlich auch.
Airelle Besson Trompete
Sebastian Sternal Klavier, Rhodes
Jonas Burgwinkel Schlagzeug
Bill Laurance & Michael League
„Wir sind so viel mehr, als nur Teile der populärsten Band, der wir angehören“, sagte Michael League zu seinem ersten Duo-Album mit Bill Laurance. Wer League bis dahin nur als Bassist und Gründer von Snarky Puppy kannte, wunderte sich schon über den intimen akustischen Sound von „Wish you where here“ (2023), zumal ja auch Bill Laurance in dem mit fünf Grammys ausgezeichneten Fusion-Kollektiv vor allem elektronische Tasteninstrumente bedient.
Aber der in Long Beach geborene Bassist und der in London geborene Pianist lernten sich schon vor mehr als 20 Jahren kennen und teilen seitdem ihre Vorliebe für musikalische Offenheit. Laurance studierte damals in Leeds klassische Komposition und beschäftigte sich parallel dazu mit Jazz, Funk, Hip Hop und Drum’n’Bass, als er in der Tourband eines Sängers Michael League begegnete. Der lud ihn nach Texas zur Aufnahme des ersten Snarky-Puppy-Albums ein. Der Rest ist sozusagen Geschichte und seitdem haben die beiden in unzähligen Projekten auch für andere Künstler zusammengearbeitet. „Ein gemeinsames Album war nur eine Frage der Zeit“, so Laurance, „wir kennen einander in- und auswendig und es fühlt sich extrem natürlich an, zu zweit zu spielen.“
Ihr Duo ist so etwas wie der Gegenentwurf zum ausgetüftelten Ensemblesound von Snarky Puppy und auch zu den Film- und Orchesterkompositionen von Bill Laurance. Ein akustisches Piano und eine bundlose akustische Bassgitarre, eine westafrikanische Ngoni oder eine orientalische Oud: mehr brauchen die beiden nicht für ihre grenzüberschreitende Kammermusik.
Der Oud nähert sich League dabei ganz unbefangen. Er hat das Instrument nie formal studiert, kennt es aber bereits seit seiner Kindheit: „Meine Familie ist griechischer Abstammung und mein Bruder ein Spezialist für griechische Volksmusik. Und so hielt ich zum ersten Mal eine Oud in der Hand, als ich als 14-Jähriger in sein Zimmer kam. In unserem Elternhaus wurde immer griechische und türkische Musik gespielt.“ Die Affinität zum mediterranen Raum führte dazu, dass der Amerikaner seit einigen Jahren in dem katalanischen 500-Seelen-Dorf Els Prats del Rei lebt. 60 Kilometer nordwestlich von Barcelona im Landesinneren gelegen, hat sich League, der übrigens fließend spanisch und Katalan spricht, dort ein kleines, aber feines Studio eingerichtet. In diesem Estudi Vint ist „Wish you where here“ entstanden, ebenso wie „Keeping company“, das Nachfolgealbum von 2024.
Es ist keine virtuose Musik, die die beiden bieten, sondern eher so etwas wie eine Einladung zu einem Gespräch unter Freunden. Freunden, die Spaß daran haben unbekanntes musikalisches Gelände zu erkunden und die wissen, dass sie sich dabei aufeinander verlassen können.
Bill Laurance Piano
Michael League Oud, Bassgitarre
Organ – hr-Bigband feat. Kit Downes & Ben van Gelder
Was wäre ein Festival ganz ohne Geburtstagsständchen? Dieses Mal gratulieren wir der Hammondorgel zum 90. Geburtstag! 1935 wurde das erste Instrument dieser Art der Öffentlichkeit vorgestellt, damals in der New Yorker St. Patrick’s Cathedral. Jazzer wie Count Basie, Wild Bill Davis oder Jimmy Smith fanden bekanntlich schnell eine weltliche Verwendung an weniger erhabenen Orten.
Und bis heute ist der Holzkasten mit den zwei Manualen, dem optionalen Pedal und den Zugriegeln nicht totzukriegen. Mit Joey De Francesco, John Medeski und Cory Henry hatte auch die hr-Bigband bereits exzellente Hammond-Spezialisten zu Gast. Die klangliche und stilistische Bandbreite des schwergewichtigen Instruments ist bekanntlich groß und womöglich immer noch nicht ausgeschöpft. Neue Sounds im klassischen Trioformat mit Gitarre und Schlagzeug erkundete etwa der britische Tastenspezialist Kit Downes mit seiner Formation „Troyka“ schon 2013 auf dem 44. Deutschen Jazzfestival Frankfurt. Sein aktuelles Trio „Deadeye“ mit dem niederländischen Gitarristen Reinier Baas und dem deutschen Schlagzeuger Jonas Burgwinkel gehört zu den unkonventionellsten und aufregendsten Manifestationen dieser Besetzung. Baas trägt mit seiner eigenständigen Art Gitarre zu spielen stark dazu bei, aber auch Kit Downes‘ furchtlose Entdeckerfreude löst sich immer wieder aus der Tradition soul-jazziger Hammond-Stile, um dem Instrument Neues zu entlocken.
Und Downes ist nicht nur fasziniert von elektrischen Orgelsounds. Sein Solo-Album „Obsidian“ (ECM 2018) spielte er auf drei verschiedenen englischen Pfeifenorgeln ein. Jedes Instrument, jeder Kirchenraum inspirierte ihn dabei zu anderen musikalischen Erkundungen. „Die Orgel ist der ultimative Orchestrator“, sagte er damals im Interview, auf ihr könne er „im selben Augenblick sowohl Improvisator als auch Orchestrator sein.“ Pfeifenorgel spielt Kit Downes auch im Projekt „Manifold“ (2023) des niederländischen Saxofonisten und Komponisten Ben Van Gelder. Das Oktett mit Bläsern, Schlagzeug, Bass und Stimme versetzt das Instrument in einen ungewöhnlichen klanglichen Kontext. Und bei den Solo-Konzerten an Kirchenorgeln, die Downes seit „Obsidian" auf der ganzen Welt gibt, ist Ben van Gelder ebenfalls häufig als Gast mit von der Partie.
Basierend auf diesen gemeinsamen Erfahrungen werden Kit Downes und Ben van Gelder, zwei der angesehensten und innovativsten europäischen Instrumentalisten ihrer Generation, ihre Musik für diese Begegnung mit der hr-Bigband konzipieren und dabei versuchen, neue Funken aus der Kombination von Bigband und Hammondorgel zu schlagen.
Kit Downes Hammondorgel
Ben van Gelder Saxofon
hr-Bigband
David Hveem Leitung