Audio Glaube an das Schöne: Uralte Handschriften im MAK
Es wird sofort klar, dass diese Ausstellung große Kostbarkeiten zeigt: Der Raum ist abgedunkelt, man sieht in großen Vitrinen sehr sehr alte Bücher. "Mittelalterliche Handschriften zwischen Alltagspraxis, Luxus und Glaube" nennt das Museum Angewandte Kunst Frankfurt diese Schau aus dem eigenen Bestand - mutig, ja sensationell gehängt und beleuchet - und auf dem modernsten Stand der Möglichkeiten präsentiert.
Die hr2-Frühkritik führt ins Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt. Hier läuft bereits seit Mitte März die Ausstellung Text & Spirit Erleuchtungsgrafik. Mittelalterliche Handschriften zwischen Alltagspraxis, Luxus und Glaube. Gezeigt wird erstmals der vollständige Bestand spätmittelalterlicher illuminierter Handschriften im MAK. Stefanie Blumenbecker hat die Ausstellung bereits gesehen. Was ist der erste Eindruck?
Die mittelalterlichen Bücher liegen aufgeschlagen auf schwarzem Grund, man kann immer eine Doppelseite sehen. Sobald man näher herantritt, leuchten einem die Farben der Buchmalereien entgegen. Im hinteren Teil des Raumes hängen große einzelne Blätter in Passepartouts und Rahmen gefasst übereinander von der Decke bis zum Boden, so dass man sie von beiden Seiten betrachten kann. Alles ist mit Spotlights beleuchtet, dass das Pergament in diesem dunklem Raum wie von innen heraus strahlt.
Wie alt sind die Bücher, die Handschriften, die in dieser Ausstellung gezeigt werden?
Die beiden ältesten gezeigten Bücher stammen aus dem 13. Jahrhundert, jeweils um 1265 fertiggestellt. Sie sind auf Pergament geschrieben und mit Miniaturmalereien geschmückt. Die jüngsten stammen aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert. Damit bilden diese Bücher die stilistische Entwicklung von der hohen Gotik bis in die Neuzeit ab. Sie kommen aus Flandern, Nordfrankreich und Italien und es sind absolute Prunkstücke. Die schönsten Bücher, die ich je gesehen habe.
Die Seiten sind mit Bordüren gerahmt, die Pflanzen, Tiere, Wappen oder Heiligengesichter zeigen. Die Texte selbst werden durch große Zierinitialien und prächtige Überschriften geschmückt. Die Malerei und die Buchstaben sind oft durch Gold gehöht. Daneben leuchtet blauer Lapislazuli und violetter Purpur. Zu sehen sind Heiligendarstellungen, die meisten aus dem Leben Mariens, andere zeigen Noten. Wichtig für das Verständnis ist – alle Elemente greifen ineinander. Es handelt sich nicht um illustrierte Texte, sondern um Kunstwerke, die ganzheitlich funktionieren. Eigentlich muss man sich noch das Gemurmel der gesprochenen Gebete oder die Melodie der Gesänge vorstellen, die quasi unsichtbar ebenfalls ein Teil dieser Bücher sind.
Wozu dienten die Stundenbücher? Waren das Gebetsbücher?
Ja, auch. Sie hatten vielfältige Funktionen. Sie übermitteln die Gebete, die zu bestimmten Tageszeiten von den Laien gesprochen wurden und den Tag in die Stunden einteilen. Sie ordnen den Tag und die Woche und das ganze Jahr in einen Rhythmus. Darüber hinaus reflektieren die sieben Alter des Menschen von der Geburt bis zum Tod, und spiegeln die Einheit von Mikro- und Makrokosmos. Sie waren aber auch wichtige Prestigeobjekte und dienten der gesellschaftlichen Repräsentation in höchsten Kreisen. Es sind ja mobile Objekte, die man mitnehmen und zeigen konnte, im Sinne von sehen und gesehen werden. Damit erfüllten sie einst eine ähnliche Funktion wie heute ein teure Designerhandtasche. Selbst der Kardinal Albrecht von Brandenburg sammelte Stundenbücher, obwohl er als Kirchenmann eigentlich der Lektüre des Breviers verpflichtet war. Aber er ließ sich ganz nach privaten Wünschen Stundenbücher mit besonders luxuriöser Ausstattung gestalteten. Nicht zuletzt waren sie auch begehrte Sammelobjekte, die hoch gehandelt wurden, übrigens auch auf de Frankfurter Buchmesse!
Wie wird denn das große Wissen rund um diese Bücher in der Ausstellung vermittelt?
Das Museum für Angewandte Kunst hat das bravourös gelöst. Man kann sich an der Kasse ein I-Pad ausleihen und vor den Büchern stehend alle Seiten virtuell umblättern und jeweils das ganze Buch betrachten. Man findet die wichtigsten Informationen rund um die Bücher auf den Vitrinen selbst. Drüber hinaus sind in der Ausstellung und online 12 Interviews von jeweils 12 Minuten Länge mit verschiedensten Experten zu sehen und zu hören. Darunter z.B. Jochen Sander vom Städelmuseum oder Beatrice Alai, Expertin für Buchmalerei. Sie sprechen über das Thema Bücher im Mittelalter, ihren Wert, die öffentliche Zuschaustellung von Frömmigkeit oder die Bedeutung von Luxus. Man kann also in dieser Ausstellung wirklich tief abtauchen in die Geschichte von Kunst und Glaube.
Was war ihr Lieblingsstück?
Unmöglich zu sagen. Die französischen und flandrischen Bücher sind besonders elegant und schmelzend, aber auf allen habe ich Dinge gesehen, die mich berührt und begeistert haben. Ich hätte mir vor allem mehr Zeit gewünscht, um alles in Ruhe betrachten zu könne und mich wirklich in die Details zu versenken. Man fühlt, dass diese Objekte in großer Ruhe und mit viel Zeit entstanden sind. Sie strahlen eine tiefe Gelassenheit aus du sie sind Botschafter einer längst vergangenen Zeit. Ich war richtig ehrfürchtig vor diesen Stücken, die 500 Jahre und älter sind. Eine Ausstellung, die ich unbedingt empfehlen möchte!
Sendung: hr2-kultur, 23.4.2025, 7:30 Uhr