Eine Frau zieht allen gesellschaftlichen Konventionen entfliehend ins Hochgebirge zu Eis und Schnee, wo sie im Kampf mit sich, ihrer Liebe und der Natur letztlich unterliegt - Alfredo Catalani bietet mit "La Wally" eine Operntragödie ganz besonderer Art, die leider immer noch viel zu selten auf unseren Bühnen zu sehen und zu hören ist.

Wally - Carmen Giannattasio
Hagenbach - Carlo Ventre
Gellner - Juan Jesús Rodríguez
Walter - Mané Galoyan
Stromminger - Ante Jerkunica
Wanderer - Milan Siljanov
Afra - Corinna Scheurle

Chor des Bayerischen Rundfunks
Münchner Rundfunkorchester
Leitung: Graeme Jenkins

(Aufnahme vom 3. April 2022 aus dem Prinzregententheater)

"Ein großartiger, aber glückloser Künstler", urteilte Giacomo Puccini 1893 nach dem frühen Tod seines ebenfalls in Lucca geborenen Kollegen Catalani. An dieser Glücklosigkeit war Puccini allerdings nicht ganz unschuldig, denn spätestens seit den 1890er Jahren galt er als der wahre, legitime Nachfolger Verdis, und vieles geriet im Schatten seines großen Erfolgs in Vergessenheit.

Für "La Wally" hatte Catalani auf einen Roman der deutschen Schriftstellerin Wilhelmine von Hillern zurückgegriffen und immerhin Luigi Illica - Puccinis späteren Erfolgspartner - als Librettisten gewinnen können. Auf dem Weg der "Geier-Wally" aus Tirol auf die altehrwürdige Bühne der Mailänder Scala, wo das Werk 1892 recht erfolgreich uraufgeführt wurde, musste vor allem das Happy End weichen - ein tragischer Schluss gehörte seinerzeit gewissermaßen zum guten Ton in der Oper. Musikalisch griff Catalani auch nicht auf alpine Volkstümlichkeit zurück - was ein naheliegender Gedanke gewesen wäre - sondern blieb dem Stil seiner bisherigen Bühnenwerke treu.

Bei seinen Landsleuten gelegentlich als "deutschester aller italienischen Komponisten" verschrien, bediente er sich bei Wagner und Verismo ebenso wie bei der französischen Tradition, ohne doch epigonal oder eklektizistisch zu wirken. Der Kritiker der deutschen Erstaufführung 1893 meinte: "Eine Musik von solcher Wärme und eine Leidenschaft von solcher Tiefe und Wahrheit, dass sie ihre Wirkung niemals verfehlen wird". Wovon man sich in der konzertanten Aufführung aus München - aufgenommen in der Konzert-Reihe zum 70-jährigen Bestehen des Münchner Rundfunkorchesters - ein weiteres Mal überzeugen kann.

Anschließend:
Bach: 6. Partita e-Moll BWV 830 (Richard Goode, Klavier)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 07.01.2023, 20:04 Uhr.