Schwarz-weiß-Bild, auf dem rechts ein kleiner Hund mit Mützchen zu sehen ist. Daneben sind Damenstiefel zu sehen und weiter daneben die Pfoten eines sehr großen Hundes, wahrscheinlich einer Dogge.

Letzten Freitag eröffnete in Wetzlar im Ernst-Leitz-Museum die Ausstellung "Magie der Straße – Meisterwerke der Street-Photography aus dem Leica-Archiv". Was ist das für ein Ort, das Ernst-Leitz-Museum?

Das Ernst-Leitz-Museum ist ein noch sehr junges Museum, es wurde erst 2019 eröffnet und ist Teil des "Leica-Parks", also des Firmengeländes von Leica in Wetzlar. Dieser Unternehmenssitz erinnert von seiner Architektur an einen Uni-Campus mit weiten Plätzen und einer spektakulären Architektur. Das Museum ist eines der Gebäude vor Ort, in seine Fassade ist eine Art Schacht eingelassen, der an das Objektiv einer Kamera erinnert. Es ist sowohl Unternehmensmuseum ist, zeigt aber auch Ausstellungen international hoch renommierter Foto-Künstler. Der eigentliche Ausstellungsraum ist angesichts der Größe des Gebäudes relativ klein, der erste Stock ist vor allem verschiedenen Mitmachstationen gewidmet. Innen wie außen ist alles wahnsinnig schick.

Die aktuelle Ausstellung nennt sich "Magie der Straße", was ist zu sehen?

Straßenansichten im weitesten Sinne. Diese Ausstellung ist anlässlich des 100. Geburtstages der Leica I. entstanden. Das war die erste in Serie gefertigte Kleinbildkamera, die 1925 auf der Leipziger Frühjahrsmesse der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Diese Kamera konnte man in der Hand halten und sie eröffnete völlig neue fotografische Einsatzmöglichkeiten. Erstmals war es möglich, einen Fotoapparat mit sich zu nehmen und spontan unterwegs zu fotografieren. In der Folge machte die Leica Karriere. Es entstanden Fotoreportagen, Kriegsfotografie, Urlaubsfotografie, Portraits und spontane Studien. Das Fotografieren wurde für breite Schichten der Bevölkerung erschwinglich und es entstanden schnell neue Motive und eine neue Bildsprache. In der Ausstellung sind 100 Bilder von 50 Fotografen zu sehen, die Straßenszenen festgehalten haben, die meisten wohl sehr spontan entstanden.

Was ist denn der erste Eindruck wenn man die Ausstellung betritt?

Der Eingangsbereich ist sehr hell und licht, sehr großzügig, die Ausstellung dagegen in gedämpften Licht gehalten, die Fotografien hängen auf sehr stark farbigen Wänden in rot, violett, gelb und grün. Die Bilder selbst sind sehr unterschiedlich, manche großformatig und stark farbig, andere sind schwarz-weiß, sitzen in Passepartouts und Rahmen hinter Glas. Es hat sich mir zunächst überhaupt keine Ordnung erschlossen, man trifft auf einer Wand auf eine Szene in Indien, wo Menschen Fahrräder von außen an einen Zug gebunden haben, neben einem ikonischen Bild von Bob Dylan, neben einer Szene aus einem Township in Südafrika, neben einem spielenden Mädchen in Paris.

Auf der gegenüberliegenden Wand geht es ähnlich weiter, eine Szene aus Mexiko zeigt einen Hinterhof, wo man vergitterte Fenster in einer grünen Wand sieht, vor der sich Kinder in umgestülpten Kartons verstecken, neben einem Bild aus New York, das eine chic gekleidete Frau im roten Kleid mit Hochsteckfrisur zeigt, die einen jungen Mann frisiert, durch das Fenster fotografiert. Das war mir entschieden zu „random“, zu beliebig und zufällig. Von Bild zu Bild taucht man in vollkommen verschiedene Welten ein, die nichts zusammenbringt. Die Bilder sind nicht zeitlich geordnet, die Arbeiten derselben Künstler hängen nicht nebeneinander. Man findet bestimmt ein halbes Dutzend Bilder aus New York, durch den ganzen Raum verteilt, ländliches neben städtischem, religiöse, Szenen, Rituale oder Prozessionen neben Männern im Bad oder einer Frau mit Hühnern auf dem Schoß. Man springt von Land zu Land, von Ort zu Ort, in die verschiedensten Gesellschaften rund um den Globus. Ich hätte mir sehr sehr gewünscht, wenn diese Fülle an Fotografien eine andere Gliederung erfahren hätte.

Gab es denn eine Gliederung? Eine Ausstellung braucht ja eine Struktur?

Ja, es gibt die Einteilung in die Kapitel „Alltagsgeschichten“, „Der geteilte Blick“, „Die Magie der Straße“, „Geometrie der Stadt“, „Linien und Zeichen“. Aber mir erschienen diese Kapitel irgendwie oberflächlich. Welche Arbeiten sind eventuell politisch gemeint? Welche sind vielleicht für Magazine entstanden, in einem Pop-Kontext? Welche historischen Rahmen haben die Momente? Man sieht z.B. das berühmte Bild von Alfred Eisenstaedt, das den Titel "VJ Day in Times Square, New York, 1945", trägt. Darauf ist ein Matrose zu sehen, der anlässlich der Kapitulation Japans, also anlässlich des Kriegsendes des 2. Weltkrieges auf dem Times Square eine Krankenschwester küsst. Eines der ikonischsten Fotos des 20. Jahrhunderts möglicherweise. Aber keine Zeile dazu, keine Einordnung, kein Wort. Man kann doch nicht davon ausgehen, dass alle Besucher diese Geschichte kennen!

Aber es ist ein berühmtes Bild, gibt es weitere bekannte Aufnahmen in der Ausstellung zu sehen?

Fotofreunde können so manches bekannte Bild entdecken. Henri Cartier-Bresson z.B. einer der wichtigsten Repräsentanten der humanistischen Fotografie des 20. Jahrhunderts ist vertreten, ein großer Künstler und Mitbegründer der Fotoagentur Magnum. Von ihm ist ein legendäres Bild zu sehen, das einen Mann mitten im Sprung über eine Pfütze zeigt, noch bevor dieser wieder das Wasser berührt. Das ist so eine wichtige Fotografie, die hätte einen Kontext, eine Würdigung, einen Rahmen bedurft. So ist sie nur eine von vielen.

Die Werke bemerkenswert, die Hängung nicht überzeugend?

Die Werke sind großartig. Fotografien aus 80 Jahren Geschichte, man könnte wahrscheinlich Stunden in der Ausstellung verbringen um sich auf alles einzulassen, alle Details zu erkunden. Aber, wie gesagt, mir fehlte die Linie darin, eine bloße Aneinanderreihung von Kunstwerken macht noch keine gute Ausstellung!

Sehen Sie einige weitere Bilder in einer Galerie.

"Die Magie der Straße", bis 1. Juni
"Das gute Bild", bis 1. Juni
beide im Ernst Leitz Museum
Am Leitz-Park 6, 35578 Wetzlar

"Im Dialog. Ein fotografisches Gespräch zwischen Walter Vogel und Franziska Stünkel"
Leica Galerie
Großer Hirschgraben 15, 60311 Frankfurt

Weitere Ausstellungen finden weltweit statt. Den Höhepunkt der Feierlichkeiten bildet nach Angaben von Leica die Jubiläumswoche am Unternehmensstandort in Wetzlar ab dem 25. Juni, dann wird eine Ausstellung des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado eröffnet, der in Wetzlar erwartet wird. 

Sendung: hr2-kultur, 26.2.2025, 7:30 Uhr