Das Frankfurter Naturmuseum Senckenberg hat nie vor dem Kontakt mit der Kunst zurückgeschreckt. Aktuell zeigt es die Ausstellung "The Machine" von Maria Loboda, die hauptsächlich aus einem viertelstündigen Film besteht. Der Film setzt vor 49 Millionen Jahren in der Grube Messel ein, die einmal eine Müllgrube werden sollte, fragt dann aber hauptsächlich, was für Fossilien unser Zeitalter produzieren wird. Die ästhetischen Kriterien künftiger Generationen sind uns natürlich noch unbekannt, aber Maria Loboda hat da einige hübsche Ideen für Fossilien aus menschlichem Müll. Die Kunstreihe wird fortgesetzt.
Mario Scalla fand Maria Lobodas "The Machine" am Frankfurter Senckenberg-Museum anregend.||
Frauke Finsterwalder hat einen Kostümfilm gedreht: "Sisi und ich". Damit er aber nicht in Sisi-Seligkeit versinkt, hat sie die Tonspur mit Punk-Musik unterlegt. Die österreichische Kaiserin - gespielt von Susanne Wolff - steckt in der Sackgasse, die ihre Rolle ihr vorgibt. Die größere schauspielerische Leistung liefert jedoch Sandra Hüller ab, die als Hofdame der Kaiserin Gesellschaft leisten soll. Freiheit finden die beiden nur auf Reisen, am liebsten in einer Art adligen Kommune auf der Insel Korfu.
Ulrich Sonnenschein war verblüfft, dass Frauke Finsterwalder dem Sisi-Stoff noch neue Seiten abgewinnen konnte.||
Frauen errangen mit der Weimarer Republik ungeahnte Freiheiten, was sich auch im Kino niederschlug. Die Ausstellung "Weimar weiblich" am Deutschen Filmmuseum Frankfurt zeigt, wie Frauen in fast allen Gewerken der Filmindustrie auftauchten. Die Filmzensur war zeitweise aufgehoben, sodass selbst Themen wie Homosexualität oder Schwangerschaftsabbruch verhandelt werden konnten. Die Filme prägten das Bild der "Neuen Frau" und zahlreiche private Zeugnisse belegen, wie Frauen ihren Vorbildern aus dem Kino nacheiferten.
Stefanie Blumenbecker flanierte in einer Ausstellung am Deutschen Filmmuseum Frankfurt durch das von Frauen geprägte Kino der Weimarer Zeit.||
Der Bachmann-Preisträger Ferdinand Schmalz hat mit "Mein Lieblingstier heißt Winter" 2021 seinen Debütroman vorgelegt. Das Schauspiel Frankfurt hat den grotesken Krimi als skurriles Who-done-it auf die Bühne gebracht. Regisseurin Rieke Süßkow stellt die verrückte Geschichte um den Tiefkühlkostvertreter Franz Schlicht auf eine schier unendlich sich kreisende Drehbühne, in der Szene an Szene in kleinen Dioramen - den kunstvollen Museumsschaukästen ähnlich - seriell aneinander gereiht wird. Es geht um Leben und Tod, um das Sterben, das sich darauf Vorbereiten im Hier und Jetzt im alltäglichen Klimawandel.
Natascha Pflaumbaum hat sich mit "Mein Lieblingstier heißt Winter" am Schauspiel Frankfurt köstlich amüsiert.||
Einen riesigen Erfolg feiert diese Oper am Stadttheater: Minutenlanger Applaus und Bravo-Rufe belohnten die vielen Beteiligten und das Regieteam um Regisseur Martin Andersson. Grga Peroš als Scarpia, Michael Ha als Cavaradossi und Tosca Margarita Vilsone sind das perfekte Trio, unserem Zuhörer erschienen ihre Stimme durch die Platzierung des Orchesters auf der Bühne manchmal zu schrill. Das Verlegen der Handlung in eine moderne Dikatur ist keine neue Idee, wird aber packend aktualisiert, spannend dargestellt und gesungen - und ist sicherlich nachvollziebar auch für Menschen, die wenig Kontakt mit der Oper haben. Bestimmt auch etwas für jüngere Zuschauer - toll, was man hier geboten bekommt!
In seinem 4. Abo-Konzert präsentierte das Ensemble Modern in der Alten Oper Frankfurt fünf Werke von Malte Giesen, Joanna Bailie, Natalie Dietterich, Elnaz Seyedi und Christopher Trapani. Corinna Niemeyer hat den Abend dirigiert, der zu den Sternstunden des frühen Konzertjahres 2023 zählen dürfte, weil die Werke inhaltlich, handwerklich, musikalisch begeistern, aber vor allem ganz neue, unerwartete Hörerfahrungen ermöglichen.
Natascha Pflaumbaum benutzte das Programmheft, um hinter die Geheimnisse der Kompositionen zu kommen||
"Lulu" von Alban Berg ist in jeder Hinsicht eine aufwändige Oper - nicht leicht einzuüben, musikalisch schwierig, und sie erfordert viel Personal. Das Staatstheater Darmstadt ist derzeit die einzige Bühne in Deutschland, die diesen Kraftakt wagt. Alban Berg hat die Oper nicht abgeschlossen, das Ende stammt von Friedrich Cerha. Ihm ist es eigentlich zu verdanken, dass wir heutzutage eine komplette "Lulu" sehen und hören können. Cerha ist am im Februar mit 96 verstorben.
Susanne Pütz meint, man solle sich von der Zwölftontechnik der "Lulu" nicht abschrecken lassen||
Man nehme das wirre Märchen über Liebe, Weisheit, Intrige und Macht, nämlich die erfolgreichste Mozart-Oper, zerlege sie, führe sie in verschiedenen Regiefassungen auf - und beteilige das Publikum. Warum nicht: Die betrunkene Königin der Nacht fuchtelt in enger Ledermontur mit einem blutigem Messer herum, das Parkett singt "Ein Mädchen oder Weibchen" mit - und stimmt ab: Bitte jetzt aber die traditionelle Fassung! Das Kasseler Publikum konnte das alles nur in Teilen gut finden, "Buhs" waren unüberhörbar. Unser Kritiker war fasziniert, nicht überzeugt - aber sehr angetan von den sängerischen Leistungen in experimenteller Umgebung.
Robert Kleist konnte, wollte aber nicht mitsingen||
Dürer zog es schon vor 500 Jahren nach Venedig; Goethe fühlte sich in Rom so richtig frei. Doch die Klischees, die das Italienbild der Deutschen prägen, sind erst vor 150 Jahren dank der damals neuen Technik der Fotografie entstanden. In der Ausstellung "Italien vor Augen" präsentiert das Städel die ersten Italien-Fotos. Natürlich sind sie schwarz-weiß, aber von einer erstaunlichen Qualität. Und weil die Belichtungszeiten noch Stunden erforderten, wirken die Landschaften und Städtebilder oft menschenleer.
Stefanie Blumenbecker über die Geburt der Italien-Klischees durch die Fotografie||
Wieviel Zeit geben Sie noch der Menschheit? Margaret Atwood ist da pessimistisch: In ihrem Roman "Oryx and Crake" hat nur noch Snowman - mutmaßlich der letzte Mensch - überlebt. Er ist umgeben von genmanipulierten Wesen, die zwar friedfertig, aber eben keine Menschen mehr sind. In dieser Situation sehnt er sich nach seinem alten Freund Crake und seiner Liebe Oryx. Das Staatstheater Wiesbaden hat Atwoods Roman als Science-Fiction-Oper auf die Bühne gebracht. Keine Angst, die Musik ist durchaus singbar!
Natascha Pflaumbaum sah die Science-Fiction-Oper "Oryx and Crake" in Wiesbaden.||
"Hug of a swan" im Fotografie-Forum Frankfurt (bis 9.4.), die Umarmung des Schwans - ein Wortspiel mit dem Namen der Künstlerin: Nhu Xuan Hua. Das neue Talent der Mode- und Portraitfotografie ist in zwei Welten großgeworden, der elterlichen vietnamesischen und der von Paris. Ihre Bilder zeigt sie in vier thematischen Räumen - gestaltet in intensiven Wand- und Bodenfarben: Gesamtkunstwerke über starke und eigensinnige Frauen mit einer Ikonografie, die man so im Fotografie-Forum noch nie sah, sehr spannend!
Stefanie Blumenbecker war von der Modefotografie im FFF verzaubert||
Dieses Shakespeare-Stück ist oft vertont worden, Benjamin Brittens Fassung aus dem 20. Jahrhundert ist musikalisch anspruchsvoll. In Gießen wagt man das Experiment, die leere Bühne mit bloßem Licht als aufgeladenen Raum für Phantasien aller Art zu gestalten - gelungen! Die Inszenierung toppt das Verwirrspiel - gelungen! Der Kobold Puck singt aus dem Off und wird durch Effekte ersetzt - gelungen! Und es gibt herrliche Stimmen zu entdecken, die einen Besuch wert sind.
Niels Kaiser kam beseelt aus dem Gießener Stadttheater zurück||
Die Kunststiftung der DZ Bank, die auf Fotografie spezialisiert ist, zeigt "Himmel – Die Entdeckung der Weltordnung" in ihren Räumen am Platz der Republik in Frankfurt. Der religiöse, der romantische, der meteorologische oder der astronomische Himmel? Bilder und Installationen zeigen eine sehr breite Vielfalt an Formaten, künstlerischen Strategien und Misch-Techniken. Unsere Besucherin hat vieles gelernt und empfiehlt die Führungen: Der Physikalische Verein ergänzt den Kunst-Blick auf den Himmel.
Stefanie Blumenbecker hat über van Gogh etwas lernen können||
Am Ende sind es immer ganz ähnliche Probleme, Antigones Dilemma lässt sich auch ins Anthropozän übertragen: Dominieren die Gesetze des Menschen und geht es um Fortschritt? Am Ende sind es immer ganz ähnliche Probleme, Antigones Dilemma lässt sich auch ins Anthropozän, das Zeitalters des Menschen und seiner Übermacht, übertragen: Dominieren die Gesetze des Menschen und geht es um Fortschritt und Selbstoptimierung - oder lassen sich mit der "Liga des terrestrischen Widerstands" auch ein Gesetz der Erde und eine Rechtsprechung für den Planeten fordern?
Andreas Wicke ist begeistert von Alexander Eisenachs Klassiker-Adaption||
"La Traviata" von Giuseppe Verdi ist eine der am meisten gespielten Opern der Welt. Regisseur Karsten Wiegand durfte am Staatstheater Darmstadt also davon ausgehen, dass das Publikum weiß, wie die Sache ausgeht. "La Traviata" heißt "Die vom Weg Abgekommene" und Wiegand lässt Violetta häufig am Bühnenrand getrennt vom Hauptgeschehen auftreten. Musik und Stimmen überzeugen; das Boschs "Garten der Lüste" nachempfundene Bühnenbild ist grandios. Und auch das lange Sterben Violettas an Tuberkulose inszeniert Karsten Wiegand überzeugend.
Meinolf Bunsmann über eine rundum gelungene Inszenierung von "La Traviata" am Staatstheater Darmstadt||
Seit 2007 vergibt das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt Preise für herausragende Gebäude, die zukunftsweisend sind. Es geht stark um Nachhaltigkeit: Nicht abreissen und neu bauen, sondern umbauen und weiterbauen! Das Landratsamt von Starnberg ist der Sieger 2023, am See im Grünen gelegen, kammartig gebaut, aufgeteilt in Pavillons, die zusammenhängen. Architekt Fritz Auer hat den Kaiserpalast von Kyoto zum Vorbild genommen: Groß, aber ganz leicht gebaut, offen und mit modernster Technik. Richtungsweisende und anregende Bauten zeigt die Ausstellung, öffentliche und private Bauherren sollten sie sehen und beherzigen.
Gudrun Rothaug war in einer wichtigen Ausstellung im DAM||
In Händels Oper "Orlando" hat der Titelheld die Qual der Wahl: Liebe oder Krieg. In der Inszenierung von Ted Huffman an der Oper Frankfurt nimmt das Stück erst im zweiten Akt an Fahrt auf. Orlando wird von der Mezzosopranistin Zanda Švēde gesungen, die manchmal Mühe hat, sich gegen das Orchester durchzusetzen. Und damit das Publikum nicht den Faden verliert, leuchtet eine Glühbirne auf, wenn Orlando sich im Liebeswahn verliert.
Meinolf Bunsmann über eine mäßig gelungene Inszenierung von Händels "Orlando" an der Oper Frankfurt||
Das Schauspiel Frankfurt und die Dresden Frankfurt Dance Company zeigen in "10 odd emotions" von Saar Magal Rituale der Demütigung und Unterwerfung: 20 Tanzende verhüllen mit Stoff die Köpfe, beginnen eine Sex-Gewalt-Orgie mit brutalsten Video-Szenen. Das wirkt gespenstisch, unpersönlich, ja verharmlosend: Der Anspruch, Tanztheater gegen "das Böse" zu machen, zerstiebt in einer Art Leni-Riefenstahl-Ästhetik. Applaus für Folter, Vergewaltigung und Hinrichtungen? Merkwürdig, denn ein Ausweg aus den Spiralen fehlt.
Das Märchen von der Meerjungfrau, die aus dem Wasser kommt, wird oft gespielt. Hier singt Olesya Golovneva die Titelpartie (sie führt mit Daniela Kerck gleichzeitig Regie) - und wir erleben DIE Rusalka schlechthin: Die Golovneva singt weich und sinnlich, rührt uns und sich selbst am Ende zu Tränen. Dazu sinnvolle Videos und ein Orchester, das diese komplexe Musik beherrscht - Dvoraks Oper über eine Frau, die ihren Gefühlen nachgeht und in ihrer Ver(w)irrung den Tod bringt, ist eine unbedingte Empfehlung!
Natascha Pflaumbaum fand die oft gespielte Oper phantastisch-schön||
Vito Žuraj hat im Auftrag der Oper Frankfurt "Blühen" nach einer Erzählung von Thomas Mann komponiert. Aurelia verliebt sich in einen jungen Mann, der ihr Sohn sein könnte. Eigentlich glaubte sie sich schon in der Menopause, erlebt aber wieder eine Regelblutung. Was für sie zunächst ein Zeichen des Glücks ist, stellt sich als Zeichen einer unheilbaren Krankheit heraus. Die komplexe Musik wird vom Ensemble Modern gespielt; als Sängerin ragt Bianca Andrew hervor.
Susanne Pütz lobt die komplexe Musik der Oper "Blühen" von Vito Žuraj ||
Die Uraufführung von "Where we are @" ist die erste Gießener Arbeit von Constantin Hochkeppel, dem neuen künstlerischen Leiter der Abteilung Tanz. Seine Visitenkarte ist die Ästhetik der "Physical Art", hier zeigen die sieben Tanzenden atemberaubende Akrobatik der Leichtigkeit, dazu sprechen sie: Wo kommen wir her, was macht uns als Menschen aus, was haben wir aus dem Planeten Erde gemacht? Insgesamt eine geräuschhafte, flirrende, rhythmische Inszenierung - alles gerät irgendwie aus den Fugen, eineinhalb Stunden lang, ohne Pause, sehr eindrucksvoll!
Christiane Hillebrand empfiehlt die Produktion des Stadttheaters Gießen||
Oh, hr-Tatort-Kommissar Murot singt auch? Aber ja: Ulrich Tukur bringt schon seit 1995 Tanzmusik und Eigenkompositionen im Stil der 20er- bis 40er-Jahre auf die Bühne! Und da ist jemand absolut in seinem Element, hier schlüpft er nicht in eine fremde Rolle – er lebt seine große Leidenschaft aus: Swing, Rumba, Foxtrot: Alles dabei, inklusive Stapstick und Selbstironie. Tolle Stimmung im Staatstheater von Anfang an, bis zum Schluss, als es nach den Zugaben Standing Ovations gab.
Robert Kleist war hingerissen vom Auftritt in Kassel||
Das Fridericianum in Kassel stellt regelmäßig international beachtete Künstler vor, die in Deutschland bislang nicht zu sehen waren, jetzt Roberto Cuoghi. Der Italiener beschäftigt sich intensiv mit Materialien, etwa Keramiken und Abgüssen, und lässt eine Klanginstallation ohrenbetäubend erschallen. Er blättert quasi in geistigen und ästhetischen Bedeutungsschichten - eine schockiernde und anstrengende Werkschau, die eine gewaltige Erfahrung darstellt. Man braucht einige Zeit, um sie auch nur annähernd zu erfassen.
Stefanie Blumenbecker ist von der Ausstellung tief beeindruckt||
In der Ausstellung "Alter Meister" in der Kunsthalle Darmstadt fragt der Künstler Thomas Sturm nach dem Verhältnis von Original und Reproduktion. Er fotografiert zum Beispiel in einem Museum Bilder Alter Meister, druckt sie auf Leinwand und überstreicht sie mit so genannter Malbutter, die das Bild wie durch einen Nebel erahnen lässt. Und dann nimmt er sich das Recht heraus, das neue Bild mit großem Pinselstrich zu signieren. Ist das nun ein Original, eine Reproduktion, oder doch ein neues Original?
Stefanie Blumenbecker fand sich durch die Ausstellung "Alter Meister" in Darmstadt zum Nachdenken über Kunst angeregt.||
Aurora kommt aus einer Welt ganz in weiß und entdeckt die farbenfrohe Welt der Menschen. Das ist das Thema der neuen, spektakulären Eisshow "A new day", die "Holiday on Ice" in der Frankfurter Festhalle präsentiert. Unser hr2-Kritiker Meinolf Bunsmann kaum aus dem Staunen über die Körperbeherrschung der Artisten und ihre fantasievollen Kostüme nicht mehr heraus. Und einmal brannte sogar das Eis.
Meinolf Bunsmann über "A new day", die neue, spektakuläre Eisshow von "Holiday on Ice"||
"Extrem bunt" ist der Titel der 67. Kinderbuchausstellung im Offenbacher Klingspor-Museum. Zu sehen sind rund 200 Bücher von circa 50 Verlagen, darunter in diesem Jahr erneut wieder internationale Kinderbuch-Ausgaben aus Südkorea, dem Iran, Japan oder Kolumbien.
Irische Musik, irischer Tanz - wie kann dazu ein Bühnenprogramm aussehen, 25 Jahre, nachdem Michael Flatley mit "Riverdance" Maßstäbe setzte? Ulrich Sonnenschein findet: Der Show "Irish Celtic" gelingt es, die lebenslustige Stimmung aus irischen Kneipen glaubwürdig auf die Bühne zu bringen.
"Cats" hat nun schon 40 Jahre auf dem Katzenbuckel, aber in der Alten Oper Frankfurt wirkt Andrew Lloyd Webbers Musical frisch wie am ersten Tag. Den Schauspielern fordert er Höchstleistungen ab, wenn sie in ihren Katzenkostümen singen, tanzen oder durchs Publikum streunen, und doch wirkt alles scheinbar mühelos. Eine nachvollziehbare Handlung gibt es kaum - das wird nicht verhindern, dass "Cats" auch die nächsten 40 Jahre Erfolge feiert. Miau!
Meinolf Bunsmann fühlte sich mit "Cats" im siebten Katzenhimmel||
"Pass immer gut auf Deine Hoffnung auf, ich habe meine irgendwann verloren." Dieser Satz der Mutter steht für ein Schicksal, in dem jemand nie geliebt wurde und deswegen auch nicht lieben kann. Das Stück von Olivia Wenzel ist mit vier Personen in unterschiedlichen Rollen besetzt und führt vor Augen, dass Beziehungen flüchtig und Sinnsuchen oft vergebens sind. Eine kluge Inszenierung von Yatri Niehaus am Kleinen Haus des Stadttheaters!
Christiane Hillebrand sah in Gießen "Mais in Deutschland und anderen Galaxien"||
Peter Tschaikowski hielt "Die Zauberin" für seine beste Oper, sie wird selten gespielt, jetzt zum ersten Mal in Frankfurt. Unser Kritiker ist von der hochaktuellen Inszenierung voller Details und Symbole beeindruckt - und von den Stimmen der Weltstars Asmik Grigorian, Claudia Mahnke und Iain MacNeil. Dirigent Valentin Uryupin arbeitet Zauber, Zärtlichkeit, Grauen und Brutatlität in der Musik Tschaikwoskis fantastisch heraus. Was will man mehr?
Meinolf Bunsmann stimmt mit Gänsehaut ein in den Jubelchor||
Eine Reise ins Ausland kann die eigene Kunst fürs Leben prägen, wie Künstler seit der Frühen Neuzeit wissen. Die Hessische Kulturstiftung unterhält Ateliers in London, Paris, New York und Istanbul. Künstler aus Hessen können sich aber auch mit einem freien Projekt um ein Reisestipendium bewerben. Was im Kontakt mit der Fremde an Kunst entsteht, ist jetzt in der Ausstellung "The tide is high" im Kunsthaus Wiesbaden an 15 Beispielen zu sehen.
Stefanie Blumenbecker über das Stipendienprogramm der Hessischen Kulturstiftung||
So ein Konzert erlebt man nur selten: Anne-Sophie Mutter und Pablo Ferrández traten mit Brahms' Doppelkonzert in der Alten Oper Frankfurt auf. Und obwohl die Geigerin und den Cellisten eine ganze Generation trennt, räumen sie einander den nötigen Raum ein, sich zu entfalten. Dazu trug auch das London Philharmonic Orchestra unter Edward Gardner bei. Im Urteil von hr2-Musikkritiker Meinolf Bunsmann ein rundum gelungener Abend.
Meinolf Bunsmann erlebte zwei Ausnahmetalente ohne Starallüren||
Zappelphilipp, Hans-guck-in-die Luft oder Suppenkaspar: Dass der Frankfurter Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann 1845 mit seinem Struwwelpeter einen Kinderbuch-Klassiker schreibt, das ahnte er damals nicht. Seine "Schwarze Pädagogik" war Schock für Kinder und für viele Anlass für Spott und Satire. Das Staatstheater Darmstadt zeigt den Struwwelpeter als "Junk-Opera", im "Shockheaded Peter" ist der Humor so schwarz wie die Tinte, in die Niklas die rassistischen Buben taucht. Eine kurzweilige, alberne, musikalische Revue mit Puppen, Stimmen und viel Applaus.
Meinolf Bunsmann amüsierte sich in den Darmstädter Kammerspielen||
Sitzfleisch braucht, wer diese Oper durchstehen will. Hervorragende Sänger und ein blendend aufgelegtes Opernorchester machen diesen opulenten Wagner zu einem wirklichen Musikereignis für unseren Mann im Parkett. Die kreativen Kostüme und das aufwändige Bühnenbild sorgen für Augenschmaus-Momente. Regisseur Johannes Erath bringt viel Leben auf die Bühne - dass er auf eine kritische Reaktion auf die nationalistischen Töne des Antisemiten Wagner verzichtet, fällt auf, mindert aber den Genuss nicht. Großartig!
Martin Grunenberg sind die fast sechs Stunden Wagner aber nicht langweilig geworden||
Das Berliner Theaterkollektiv Nico and the Navigator bringt zum 350. Todestag von Heinrich Schütz mit "Fleisch & Geist" Musik und Theater, Tanz und Performance auf die Bühne des Staatstheaters. Das Ensemble denkt in diesem "Projekt zwischen Andacht und Begehren" die Musik des Frühbarocks anders und ins Heute weiter, elektrische Gitarren inklusive. Die Produktion kann berühren und unterhalten – und man kann dabei durchaus die Orientierung verlieren. Aber warum auch nicht?
Andreas Wicke erlebte eine ungewöhnliche Inszenierung frühbarocker Musik||
Das siebte Tanz-Festival Rhein-Main (bis 13. November) hat in Darmstadt mit einem erstaunlichen Eiskunstballett begonnen: "Le Patin Libre" heißt die Truppe aus Kanada, "der freie Schlittschuh". Das Programm "Murmuration" würdigt den Vogelschwarm, in dem jeder frei ist und sich doch koordinierte Figuren ergeben. Ohne Paillettenkleider oder Kostüme zeigen 14 Menschen auf dem Eis gesellschaftlich relevante Bilder von Vereinzelung und Miteinander, hochkonzentriert und spielerisch zugleich. Eine unbedingt sehenswerte Performance!
Meinolf Bunsmann war sehr angetan und empfiehlt eine dicke Jacke mitzunehmen||
Das Drama über das Scheitern politischer Ideologien sucht Antworten auf die Frage, was Freiheit ist - insofern ist es hochaktuell. Büchner hat es innerhalb von wenigen Wochen Anfang 1835 geschrieben, Robespierre führt darin die Revolution an und fordert – angeblich zum Wohle des Volkes – immer mehr Opfer. Die Zweifel von Danton manifestieren sich am Stadttheater in eindrucksvoller Weise.
Christiane Hillebrand erlebte zwei Stunden intensives Theater am Stück||
Der Roman "Ulysses" beschreibt in 18 Episoden einen einzigen Tag, den 16. Juni 1904, im Leben des Leopold Bloom. In Anlehnung an Homers Irrfahrten des Odysseus lässt er Bloom durch Dublin streifen, während seine Ehefrau (anders als Odysseus‘ treue Penelope) zu Hause ihren Liebhaber empfängt. "Ulysses" wurde zum modernistischen Klassiker, weil er auf radikale Weise mit neuen Erzählformen experimentiert. Die Ausstellung im IG-Farben-Haus führt an 22 Stationen ins Leben des Autors ein und vermittelt spannende Informationen zu Werk und Hintergründen des Entstehens, aber auch über Joyces Familie.
Ulrich Sonnenschein kennt seinen Ulysses und empfiehlt diese Ausstellung||
Das Caricatura-Museum Frankfurt erinnert an "Pardon", einst die Satire-Zeitschrift mit der höchsten Auflage in Europa. Erich Kästner schrieb für die "Pardon", Hans Magnus Enzensberger und Werner Finck. Das erste Titelbild stammte von Loriot. Das Logo - ein kleiner Teufel - wurde von F. K. Waechter gezeichnet. Beim Gang durch die Ausstellung fällt auf, dass viele Witze auch heute noch aktuell sind -- etwa wenn Willy Brandt während der Energiekrise dick eingemummelt den nächsten Winter fürchtet.
Mario Scalla fühlte sich mit "Pardon" in seine Jugend zurückversetzt||
Evelyn Herlitzius hat die Rolle der Leonore in Beethovens "Fidelio" bereits häufig gesungen. Am Staatstheater Wiesbaden wagt sie sich nun an die Inszenierung, wobei ihre große Erfahrung als Sängerin spürbar wird. Dabei unterstützt sie das Orchester unter Will Humburg, das verdientermaßen großen Applaus erhielt. Und leider bleibt das Thema der Tyrannenmacht von Beethovens einziger Oper auch nach 200 Jahren noch aktuell.
Imke Turner ließ sich von der Aufführung in Wiesbaden mitreißen||